25.09.2019

Dem Leben mit Hass oder dem Hass mit Liebe begegnen?

Politischer Beauftragter schildert seine Erfahrungen beim „Marsch für das Leben“

Uwe Heimowski, Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, schildert seine Erfahrungen beim „Marsch für das Leben“, der am 21. September in Berlin stattfand.

© bundesverband-lebensrecht.de

Die Kundgebung des diesjährigen „Marsches für das Leben“ findet auf dem Platz vor dem Reichstag statt. Die Polizei musste das Gelände weitläufig absperren. Als ich am Brandenburger Tor die Kontrolle passiere, rufen mir einige junge Frauen zu: „Du gehst zur falschen Demo!“ Ich mache kehrt. „Warum falsch?“ „Weil da Nazis demonstrieren, das ist undemokratisch!“ „Undemokratisch? Nazis? Die Demo haben Lebensschützer angemeldet, darunter auch viele kirchliche Gruppen.“ „Aber ihr wisst genau, wer da alles mitläuft.“ „Das kann man kaum vermeiden, bei den Gegendemos finden sich ja auch gewaltbereite Anhänger des Schwarzen Blocks.“ „Na und? Solange die auf euch Nazis losgehen, ist das völlig okay.“ Ich schaue die Wortführerin an. „Habe ich das jetzt richtig verstanden: Eine angemeldete Demonstration ist undemokratisch, weil sich möglicherweise die falschen Leute daruntermischen, aber es ist völlig in Ordnung, wenn die Gegendemonstranten Gewalt anwenden?“ „Genau!“ Kopfschüttelnd lasse ich sie stehen.

Samstage für das Leben
Auf der Bühne am Reichstag begrüßt Alexandra Linder, die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, die Demonstranten: „Wir feiern heute das Leben.“ 8.000 Menschen applaudieren. Vor mir steht eine Schwangere, die sich mit einem Lächeln an ihren Mann schmiegt, neben mir eine alte katholische Nonne, die ein Schild hochhält, auf dem ein strahlendes Kind mit Downsyndrom zu sehen ist. Viele junge Menschen sind gekommen. Jemand spricht von „Saturdays for Life“ (Samstage für das Leben) als notwendige Ergänzung zu den „Fridays for Future“ (Freitage für die Zukunft). Die Stimmung ist fröhlich.

Barbusig Kreuze entreißen
Von außen pfeifen die Gegendemonstranten und skandieren Parolen: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ Einige versuchen, die Bühne zu stürmen. Die Polizei führt sie ab. Als der Marsch sich auf den Weg macht, wird er von einer Sitzblockade unterbrochen, Abtreibungsbefürworter haben sich unter die Teilnehmer gemischt und auf Kommando auf die Straße gesetzt. Zwei junge Frauen streifen ihre T-Shirts ab, barbusig reißen sie den Demonstranten zwei weiße Kreuze aus der Hand und werfen sie in die Spree. Vom gegenüberliegenden Ufer, wo die Gegendemonstranten sich aufgestellt haben, brandet johlender Jubel auf.

„Herr, bitte berühre ihre Herzen“
Zwei Männer fischen die Kreuze aus dem Fluss. In mir steigt Wut auf – da sehe ich, wie sich neben mir spontan eine kleine Gruppe zusammenfindet und betet: „Herr, du weißt, warum diese Menschen so voller Hass sind. Du bist der Herr des Lebens, bitte berühre ihre Herzen.“ Auch mein Herz ist berührt. Diese Beter geben die richtige Antwort auf den Hass. Die Polizei löst die Blockade auf, friedlich ziehen wir zum Reichstag zurück und feiern einen bewegenden
ökumenischen Gottesdienst.