Wiederentdeckung und Neubelebung

Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes

Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht …

Ja, die Gemeinschaftsbewegung feiert das Jubiläum der Reformation. Ganz unterschiedlich intensiv, aber wahrnehmbar. Wir wollen nicht vergessen, dass das „Heute“ aus dem „Gestern“ erst geworden ist. Wenn wir uns als Gemeinschaftsbewegung richtig feste für das Reformationsjubiläum engagieren, dann soll das keine Nostalgieveranstaltung sein, sondern eine Wiederentdeckung und Neubelebung der Ursprünge unserer Bewegung. Keine Gemeinschaftsbewegung ohne Pietismus, kein Pietismus ohne Reformation.

Wenn wir den Pietismus als Rückbesinnung auf zentrale Anliegen der Reformation begreifen – und das war das Anliegen eines Philipp Jakob Spener, eines Johann Albrecht Bengel oder eines Nikolaus Graf von Zinzendorf, dann gewinnt die Gemeinschaftsbewegung heute ihre Kraft zur Gestaltung der Gegenwart auch dadurch, dass sie sich als Rückbesinnung auf Pietismus und Reformation begreift. Rettung aus Gnade, Priestertum aller Glaubenden, die Heilige Schrift in der eigenen Sprache, das sind einige Schlüsselbegriffe, die wir für die Zukunft der Gemeinschaftsbewegung gar nicht genug buchstabieren können.

Indem das Reformationsjubiläum in Erinnerung an den Thesenanschlag Martin Luthers begangen wird, ist aber nicht gesagt, dass die Anliegen eines Johannes Calvin oder eines Huldrych Zwingli darüber vergessen werden sollten. Wer heute die unterschiedlichen Strömungen der Gemeinschaftsbewegung aufmerksam studiert, findet darin sowohl das spezifisch lutherische, als auch das reformierte Erbe 

wieder. Und auch ein spezifi sch deutsches Verständnis der Reformation greift zu kurz. Was mit Martin Luther begann, hatte weitreichende Auswirkungen in der Schweiz, in England und Schottland und letztlich auf dem gesamten Globus. Auch die katholische Kirche konnte eben nicht einfach über die Erkenntnisse der Reformation hinweggehen, sondern musste durch die Kernfragen der Reformation hindurch.

Es macht deshalb Sinn, den 500. Jahrestag des Thesenanschlages nicht triumphal gegen andere Christen, sondern als Reformationsgedenken mit ihnen gemeinsam zu feiern. Unsere Welt ist im Umbruch – das war sie im Gefolge der Reformation auch. 2017 ist eine große Chance für die Gemeinschaftsbewegung – zur eigenen Erneuerung und Reformation und dazu, dass sie mit ihren Schwerpunktthemen einen substanziellen Beitrag für den geistlichen Aufbruch unserer evangelischen Kirche leistet. 

Dr. Michael Diener

Zum Autor

Dr. Michael Diener ist Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, von 2012 bis 2016 war er deren 1. Vorsitzender.