Von Schuld, Gnade und Verantwortung

Ein Blick aus dem Fenster: Kein „Denkmal der Schande“

Wenn wir in unserem Berliner Büro Besuch bekommen, führe ich die Gäste gerne zum Fenster. Wir schauen direkt auf das Holocaust-Mahnmal, das von Peter Eisenman entworfene Stelenfeld, zum Gedenken an die von den Nazis ermordeten Juden. Sechs Millionen Juden wurden in Europa ermordet. Allein
in Berlin waren es 55.696 Menschen, Männer, Frauen, Kinder. Das finsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Eine Schuld, die man nicht ausradieren kann und darf. Nein, es muss nicht irgendwann „mal Schluss sein“! Und nein, dies ist kein „Denkmal der Schande“, sondern ein Mahnmal. Es erinnert an die deutsche Schuld – und damit auch an unsere Verantwortung. Wer, wenn nicht wir, muss an der Seite Israels stehen? Wer, wenn nicht wir, muss hochsensibel den Anfängen von Menschenverachtung und Rassismus wehren?

Wir schauen aus dem Fenster. Aus einem Haus, das erst nach 1990 gebaut wurde. Genau hier verlief der Todesstreifen zwischen DDR und Bundesrepublik. Die friedliche Revolution 1989, entstanden aus Gebeten und Liedern, hat die Teilung unseres Landes überwunden. Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Für mich ist es eine Gnade Gottes. Gott ist gnädig, trotz unserer Schuld. Und erneut muss ich an unsere, an meine Verantwortung denken. Von Gott beschenkt, haben wir viel zu geben.

Zum Autor

Uwe Heimowski ist Politikbeauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz mit Amtssitz in Berlin.