Ein Großprojekt: Bibel übersetzen für Menschen von heute

Am Beispiel BasisBibel. Ein Werkstatt-Bericht

Die Bibel wird von vielen Menschen gelesen. Da sie aber in Hebräisch und Griechisch verfasst ist, was die wenigsten beherrschen, und weil sie zudem aus fernen und fremden Welten zu uns sprechen möchte, muss sie übersetzt werden, wenn sie gelesen werden soll. Andererseits wird die Bibel von vielen Menschen heute nicht oder nicht mehr gelesen, weil ihre Sprache als altbacken und zu anspruchsvoll empfunden wird. Wer hätte sich beim Lesen nicht schon einmal in einem überlangen und entsprechend unübersichtlichen Satz des Paulus verloren? Und wer wollte behaupten, er könne einer gottesdienstlichen Lesung eines solchen Textes mit eigentümlichen Ausdrücken und seltsamen Sprachbildern ohne weiteres folgen? Vielleicht ist es heute sogar schon das Medium „Buch“, das abschreckt oder eine Hürde darstellt.

Die BasisBibel (www.basisbibel.de) ist eine Übersetzung, die diese Schwierigkeiten erkannt hat und als HerausfordeEin Großprojekt: Bibel übersetzen für Menschen von heute Am Beispiel BasisBibel. Ein Werkstatt-Bericht Von Christof Voigt rung annimmt: Sie will dem ursprünglichen Text gerecht werden und zugleich dem modernen Leseverhalten entgegenkommen: Kürzere Sätze ohne viele Nebensätze, eine Sprache, die nicht „churchy“ (kirchlich-traditionell) ist, klare und knappe Sinneinheiten und die Nutzungsmöglichkeit als App – das sind die hervorstechendsten Markenzeichen der BasisBibel. Das Neue Testament ist seit bald 10 Jahren auf dem Markt – und sehr erfolgreich. Auch die Psalmen sind erhältlich. Derzeit wird an der Übersetzung des Alten Testaments gearbeitet.

Diese Arbeit wird von einem Team von Fachleuten geleistet und ist ein Großprojekt, das Jahre in Anspruch nimmt. Die international renommierte Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart hat dieses Projekt auf den Weg gebracht und investiert viel in das Ergebnis.

Das Übersetzen selbst ist eine ungeheuer spannende und vielseitige Tätigkeit. Beim Übersetzen geschieht das Verstehen des ursprachlichen Textes in der Verantwortung gegen- über der frohen Botschaft, der Theologie und der Tradition; schließlich ist es ein Ringen um die treffende Formulierung in der Zielsprache.

Wer biblische Bücher übersetzt, dem kommt die Bibel sehr nahe. Erstens ist man mit dem Urtext befasst: Was steht da eigentlich wirklich? Und was steht vielleicht gar nicht da? Man gräbt sich in einzelne Verse und größere Zusammenhänge ein. Zweitens sucht man in der Zielsprache eine möglichst treffende Formulierung. Immer und immer wieder kaut man einzelne Verse durch, damit der Text verständlich wird und ja nichts verloren geht und dass auch ja alles seine Richtigkeit hat. Über lange Zeiträume hinweg – und das oft viele Stunden – ist man Tag für Tag an der Arbeit. Und zwar nicht nur an einzelnen Texten, sondern an ganzen biblischen Büchern. Da ist immer wieder Neues und selten Gelesenes zu entdecken. Und schließlich lässt einen die Arbeit am Text kaum mehr los, auch wenn eigentlich eine Pause angesagt ist. Ständig gehen einem Überlegungen durch den Kopf, und es kommen einem Ideen, wie das Eine oder Andere noch richtiger verstanden und noch genauer wiedergegeben werden könnte.

Die Welt im Licht des Wirkens Gottes erkennen

Wer biblische Bücher übersetzt, lebt also mehr und mehr in den ursprünglichen Texten und zugleich in den Ausdrucksmöglichkeiten der Zielsprache. Er will, dass die Übersetzung genau das sagt, was der Urtext sagt, d.h. nichts anderes, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Dazu gehört auch: Eindeutiges soll nicht zweideutig oder missverständlich werden. Was aber ursprünglich mehrdeutig ist, sollte nicht auf eine Bedeutung eingeengt werden. Oft wirkt ein übersetzter Text eindeutiger, weniger offen als das Original. Zudem soll dieses genaue Übersetzen auf eine Weise geschehen, die dem biblischen Text als einem Text gerecht wird, der etwas anderes ist als ein Bericht in der Lokalzeitung oder eine Bedienungsanleitung. Anders als solche Texte stehen bei biblischen Texten nicht die Weitergabe einer Sachinformation oder die Lösung einer technischen Aufgabe im Vordergrund. Auch dort, wo anscheinend historische Informationen weitergegeben werden, geht es doch im Kern um mehr: Um Anrede, um Gebet oder gar um Gegenwart Gottes. Solche Sprachgestalten zielen ganz offensichtlich nicht darauf, über Sachverhalte zu informieren. So haben biblische Texte die Kraft, die Welt im Licht des Wirkens Gottes erkennen zu lassen. Daraus folgt für die Übersetzung, dass nicht nur das Ausgesagte, sondern auch die Art und Weise, in der etwas gesagt wird, eine beachtenswerte Rolle spielt.

Nur ein Aspekt ist das Übersetzen von „Vokabeln“ und das Aufspüren von passenden Ausdrücken in der Zielsprache. Dabei helfen einem Wörterbücher beider Sprachen und andere Hilfsmittel (vorliegende Übersetzungen etwa). Viel wichtiger ist es, dass die aufgespürten, passenden Wörter in einen treffenden Satz gebracht werden. Der Sinn eines Satzes liegt nämlich nicht so sehr in den einzelnen Wörtern als vielmehr in ihrem Zusammenhang. Es kommt also darauf an, Sätze zu bilden, die dem ursprünglich Gesagten gerecht werden und zugleich auf der Seite der Bibelleser der Verständlichkeit verpflichtet sind. Und schließlich wirkt ein Text über die Ebene der Wortbedeutungen und die Sinngebung durch den Satzzusammenhang hinaus durch das, was er mit den Lesern und Hörern tut: Er lenkt z.B. die Aufmerksamkeit besonders auf eine Sache hin, die am Anfang oder auch am Ende eines Satzes steht. Oder er erweckt durch bestimmte Stilmittel den Eindruck einer besonderen Würde der Aussage. Oder er verweist gar nicht aus sich heraus auf irgendwelche Sachverhalte, sondern stellt selbst eine Wirklichkeit in den Raum.

Im äußersten Fall ist im biblischen Text Gott selbst anwesend. Dieser Bereich kostet den Übersetzer die meiste Zeit. Dabei wirken die Entscheidungen, die zu treffen sind, oft unbedeutend: Ist „David aber“ oder „Aber David“ passender? Ist ein „ja“ oder ein „gar“ einzufügen? Ist es „nur Salomo“, „allein Salomo“, „einzig Salomo“ oder „Salomo als Einziger“? Hier entscheidet sich nicht nur die Angemessenheit gegen- über dem Urtext im breitesten Sinn, sondern zugleich die Lesbarkeit des Textes in der Zielsprache.

Im Blick auf das Verstehen des Urtextes lässt sich wohl sagen, dass weiteste Teile der biblischen Bücher nach Jahrhunderten philologischer und exegetischer Arbeit gut verständlich sind. Auch dann ist das Ringen mit der Zielsprache unvermeidlich. Neben diesen weiten Teilen der Bibel gibt es allerdings auch Verse, die schwer verständlich sind, vielleicht weil Ausdrücke überhaupt nur ein einziges Mal vorkommen und kaum auf andere zurückgeführt werden können oder weil die Satzstruktur – vielleicht durch eine problematische Entstehung oder Überlieferung des Textes – nicht wirklich verständlich ist. Schließlich gibt es einzelne Textstellen, die so, wie sie vorliegen, ganz offensichtlich nicht in Ordnung sein können.

Das ändert aber nichts daran, dass sämtliche etablierten Übersetzungen historisch, theologisch und sprachlich vollkommen zuverlässig und überzeugend sind. Die immer mal wieder aufkommende, nicht unpopuläre Frage nach Verfälschungen oder gar bewussten Fälschungen kann glatt zurückgewiesen werden: Jeder Mensch kann Hebräisch und Griechisch lernen und sich mit den entsprechenden Hilfsmitteln selbst davon überzeugen!

Zum Autor

Christof Voigt ist Professor für biblische Sprachen und Philosophie an der Theologischen Hochschule Reutlingen (staatlich anerkannte Hochschule der Evangelisch-methodistischen Kirche). Er hat an der Übersetzung des Neuen Testaments der BasisBibel mitgewirkt und ist derzeit an der Übersetzung des Alten Testaments beteiligt.