„Begegnung auf Augenhöhe“

Pastor Bernd Schwenkschuster über die „H3 Kletteranlage“ der EmK Metzingen

Herr Schwenkschuster, in Ihrer Gemeinde wird geklettert, demnächst auch gerobbt und gekämpft, Sie predigen Open Air und in Firmengebäuden. Warum treiben Sie diesen Aufwand?
Meiner Meinung nach ist es unser Auftrag, dahin zu gehen, wo die Menschen sind. Mit ihnen ins Gespräch zu kommen über den Glauben. Das geschieht meiner Erfahrung nach meist außerhalb von Kirche, da nämlich, wo Menschen sich im Alltag begegnen. 

Wie beschreiben Sie den grundlegenden Ansatz hinter Ihrer Arbeit in Metzingen?
Wir versuchen, eine vernetzende, innovative Gemeinde mit einer klaren Geh-Struktur zu sein, die verschiedene sozialmissionarische Projekte betreibt, um relevant für die Menschen um uns herum zu sein. Wir erwarten nicht, dass Menschen zu uns kommen, wir gehen dahin, wo Menschen ihren Alltag leben und begegnen ihnen dort. 

Mit dem ersten Projekt haben Sie vor fünf Jahren begonnen: der „H3 Kletteranlage“. Was bedeutet H3?
So ist H3 entstanden: „Hochklettern. Herunterkommen. Halt finden.“ Wir betreiben eine professionelle Kletteranlage, sind aber mehr als eine reine Sportstätte. Mittendrin ist ein gemütlicher Bistro-Café-, neuerdings auch ein Foodsharing-Bereich. Da können sich Menschen begegnen. Wir wollten mit Menschen in Kontakt kommen, die mit Kirche sonst keine oder wenige Berührungspunkte haben. Unserer Erfahrung nach gelingt das vor allem über persönliche Beziehungen und über gemeinsame Interessen, z.B. Sport. Viele von uns machen gern Sport, Beachvolleyball und Klettern. 
Also war die Überlegung, in diese Richtung weiter zu denken. Herausgekommen ist die H3 Kletteranlage. Seit Eröffnung sind viele Menschen im H3 miteinander und mit uns in Kontakt gekommen und merken mit der Zeit: Hier herrscht ein anderer, ein besonderer Spirit. Ich glaube, das liegt am Gesamtkonzept. Es gibt z.B. keinen Eintritt. Wir erbitten eine Spende. Es werden vor allem fair gehandelte Produkte verkauft. Wir versuchen, Müll weitestgehend zu vermeiden. Derzeit arbeiten rund 80 Ehrenamtliche im H3 mit. Ganz unterschiedliche Leute. Geschäftsführer, Schüler, Handwerker, Akademiker. Da herrscht ein besonderer Geist. Und danach suchen viele. Im Jahr gehen rund 10.000 Leute bei uns durch. Insofern docken manche auch an Gemeindeveranstaltungen an.

Eine Gemeinde, die mit den Menschen durchs Leben klettert? 
Eher durchs Leben geht. Viele unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter haben mit Kirche eigentlich nichts zu tun, sagen aber: „Cool, ich kann mich hier sozial engagieren. Hier ist ne tolle Truppe beieinander“ Und mit den Jahren entstehen Gespräche, über Lebensthemen wie Kinder, Beziehung, Verluste, auch über den Glauben, so ganz nebenbei.

Beim Klettern lässt sich leichter über das Evangelium sprechen: Die Schwelle ist niedrig und Sie sind an den Bedürfnissen und Fragen der Menschen dran? 
Ja. Beim Klettern begegnet man sich auf Augenhöhe – das macht es leichter, zuzuhören, was anderen wichtig ist und von dem zu reden, was uns wichtig ist. Uns geht es aber nicht darum, anderen unseren Glauben „aufs Auge zu drücken“. Für viele der Mitarbeiter hat ihre Beziehung zu Jesus einen Mehrwert fürs Leben. Das geben sie gerne weiter. Wenn danach gefragt wird. Das H3 ist kein missionarisches Projekt, sondern in meinen Augen eher ein soziales.

Welche Lebens-Themen der Menschen berühren Sie bei Ihrer Arbeit noch?
Wir haben eine junge Altersgruppe hier. Das prägt die Themen. Oft geht es um Beruf und Berufung, um Partnersuche und Partnerschaft, um den individuellen Fußabdruck in einer Gesellschaft. Um Halt im Leben. Die Nähe zum Klettern ergibt manches Thema: Scheitern und Erfolg, Abstürzen, Dranbleiben, Herausforderungen angehen und Überwinden. Gehalten werden und Halten. Das sind elementare Lebenserfahrungen. Im September steht erstmals ein neuer Challenge-Event an: „Mudmates“. Im Team geht’s über einen schlammigen Hindernisparcours. Was soll am Ende dieses Tages stehen? Unser Slogan heißt: Du läufst, du kämpfst, du lachst – ihr gewinnt! Gemeinsam gewinnen wir. Wenn Leute danach sagen: Hier war eine besondere Atmosphäre – haben wir gewonnen. Wenn sie merken: Kirche kann etwas bieten, das einen Mehrwert fürs Leben hat – haben wir gewonnen. Wie schon gesagt, niedrige Schwellen sind uns wichtig…

Wird es denn eine „Mudmates“-Fortsetzung geben?
Ja. Wir wollen das fünfmal machen, alle zwei Jahre.

Diese Arbeit lässt sich nur mit vielen Ehrenamtlichen bewältigen. Wenn nun andere Gemeinden überlegen: Wir möchten noch mehr Gemeinde für andere sein, über die normalen Angebote hinausgehen – welche Voraussetzungen sind wichtig bei den Schritten hin zu den Menschen?
Offenheit. Und Neugierde. Und ein von Gott erfülltes Herz für die Menschen. Und Begegnungen mit anderen auf Augenhöhe. Dabei nicht zu fragen: Wie fülle ich meine Kirchenräume? Sondern zu fragen: Was brauchen die Menschen? Was ist eine gute Nachricht für den, der mit gegenübersteht? Wofür brennt mein Herz? Welche Leidenschaft motiviert mich? Und dann braucht es den Mut, loszugehen und Dinge auszuprobieren.

Zum Thema „Mission: Den Glauben teilen“. Was ist aus Ihrer Sicht und Erfahrung wichtig für die missionarische Stoßkraft von Christen und Gemeinden in Deutschland?
Wir müssen als Christen wieder sprachfähiger über unseren Glauben werden. Mein Eindruck ist: Viele Christen haben verlernt, außerhalb von christlichen Kreisen so über ihre Beziehung zu Jesus zu reden, dass andere das verstehen. Viele haben verlernt, über die Hoffnung zu sprechen, die in uns liegt. Gott möchte durch uns die Welt verändern. Er möchte, dass Menschen durch uns und unsere Gemeinden frei werden. Dass Menschen geholfen wird. Dass Menschen sehen und erleben, wie sehr Gott sie liebt. Vorbehaltlos. Uneingeschränkt. Indem wir Christen ihnen genauso begegnen. Wenn wir das lernen und umsetzen, sind wir Teil von Gottes Mission in dieser Welt und können ihn in seiner Arbeit unterstützen. Dafür lohnt sich jeder Aufwand!

Vielen Dank für das Gespräch

Zum Autor

Bernd Schwenkschuster ist Pastor der Evangelischmethodistischen Kirche Metzingen. Er ist verheiratet und Vater von 4 Jungs. Info: www.emk-metzingen.de; www.h3metzingen.de; www.mudmates.de