Christen & Corona: Lektionen aus der Krise

Ein EiNS-Fachgespräch: Erfahrungen und Bewertungen aus theologischer, diakonischer und wirtschaftlicher Perspektive

Im Gespräch: Oberin Sr. Kerstin Malycha (Foto links), Diakonissenmutterhaus Neuvandsburg/Elbingerode, mit 132 Diakonissen, Diakonie-Krankenhaus, Altenpflegeschule und Gästebereich; Pfarrer Dr. Rolf Hille (Foto Mitte), langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie sowie der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz, Allianz-Vorsitzender 1994-2000; Hans-Jörg Naumer (Foto rechts), Finanzexperte, leitet als „Director Global Capital Markets & Thematic Research“ eine Analyseabteilung bei einer Investmentfondgesellschaft.

 

Schwester Kerstin, Herr Hille, Herr Naumer, wann haben Sie begriffen: Da kommt mit Corona etwas Außerordentliches auf uns zu?

Naumer: Bei mir kam das sehr spät, weniger als vier Wochen vor dem Lockdown. Das überrascht mich im Nachhinein, weil wir Frühwarnsysteme rund um den Globus haben, die gut funktionieren. Die ersten Anzeichen waren schon im Januar, Februar da. Aber ich hab gedacht: Es gab schon andere Viren, bei denen man Angst vor einer Pandemie hatte, Ebola und dergleichen. Das haben wir schnell unter Kontrolle gekriegt. Auch diesmal war mein Vertrauen groß, dass das unter Kontrolle kommt. Aber plötzlich gab es ein Virus, das so schnell so global ist, dass man fast nicht aus dem Flieger kommt ...
Hille: Das griechische Wort „pan“ heißt ja „alles umfassend“. Und es ist etwas qualitativ Neues, dass eine Weltkrise sich so rasend schnell flächendeckend ausgebreitet hat. Wenn man’s theologisch sieht, hat es apokalyptischen Charakter. Der Schock, den wir erlebt haben – wenigstens mir ging es so – war dann, als wir die vielen erschreckenden Todesfälle in Norditalien sahen, in Frankreich, Spanien, New York. Das hat eine tiefgreifende Verunsicherung ausgelöst. Niemand hatte eine Pandemie auf der Rechnung, die sämtliche Strukturen durcheinanderwirft.
Sr. Kerstin: Ich war Anfang März im Urlaub – und bin Mitte des Monats wieder zurückgekommen, wie auch einige andere unserer Leute, die in Kenia waren und es grade noch zurück geschafft haben. Ich war froh, als alle wieder auf dem Campus waren. Aber es war sehr bald klar, dass sich bei uns immer viele Menschen aus einer Risikogruppe aufhalten: im Seniorenzentrum, im Krankenhaus und unserer Gästearbeit. Das stockte dann alles. Und wir mussten sehen: Wie können wir jetzt mit Abstandsregeln, mit Hygienekonzept weitermachen? Das war eine massive Umstellung! Heute, Monate danach, sehnt man sich nach einem Ende.

 

Sind Sie in irgendeiner Form persönlich von der Corona-Pandemie betroffen gewesen?

Sr. Kerstin: Persönlich und familiär bin ich nicht betroffen gewesen. Aber ich habe gemerkt: Wir sind in einer brisanten Situation – und das wirft natürlich Fragen auf.
Hille: Nein, im direkten Familienzusammenhang nicht, aber bei einer Reihe von Freunden. Ein älteres Ehepaar ist in eine schwere Erkrankung geraten. Das rückt einem sehr nahe.
Naumer: Gott sei Dank war bei uns im näheren Umfeld niemand gesundheitlich betroffen. Aber wir haben unser ganzes Arbeitsumfeld umgestellt: Ich hab jetzt mehrere Monate Homeoffice hinter mir; meine Frau als Klassenlehrerin an einer weiterführenden Schule kann ein Lied davon singen, was es heißt, wenn man plötzlich vom Arbeits-Keller aus eine Klasse managt; wir haben drei Kinder zu Hause … Aber man kann eigentlich, trotz allem, jeden Morgen Gott auf Knien danken, dass das „alles“ ist. Wir leben in einem stabilen Land, das die Krise bisher gut gemanagt hat, wie ich finde. Man braucht gar nicht so weit zu gehen, um zu sehen, was es anderswo an Infektions- und Todesfallraten gibt.

 

Aus Ihrer jeweiligen Fach-Sicht, Diakonie, Theologie, Wirtschaft und Gesellschaft: Welche Gedanken beschäftigen Sie am stärksten?

Hille: Dort, wo die Corona-Krise eine persönliche Krise ist, da laden wir Christen ein zum Glauben an die Souveränität Gottes – und dass wir nicht tiefer fallen können als in Gottes Hand. Das lässt sich im Gespräch jetzt leicht sagen, aber es ist die Grundfrage unseres Glaubens: dieses elementare Vertrauen, das uns Geborgenheit gibt. Und auch Gelassenheit in dem Wissen, dass Gott die Fäden in der Hand hält – ohne dass wir dabei leichtsinnig werden.
Sr. Kerstin: Ich bin persönlich dankbar, dass wir in diesen Monaten z.B. unsere Hausgottesdienste und Andachten weiter haben durchführen können – und dass wir durch
den „Hausrundfunk“ auch mit unserem Seniorenzentrum, dem Krankenhaus verbunden sind, so dass Gottes Wort in dieser Zeit zu den Menschen gekommen ist. Durch die interneÜbertragung war es möglich, in viele Zimmer auch kleine Konzerte zu übertragen. Ich fand die vielen tollen kreativen Ideen wichtig, die in dieser Zeit entstanden sind,
auch das Nutzen der Videotechnik.
Naumer: Aus ökonomischer Sicht ist das großeThema: Gelingt es uns, die „2. Welle“ zu verhindern? Das ist der entscheidende Punkt. Wir sind eine Weltwirtschaft. Natürlich ist der humanitäre Aspekt noch wichtiger als der ökonomische, aber jetzt mal nur mit der ökonomischen Brille betrachtet, gilt: Wir dürfen nicht nochmal in einen Lockdown kommen. Entscheidend ist, dass die Politik – was sie in Deutschland wie in vielen anderen Ländern gut gemacht hat, wie ich finde – fiskalisch und mit Geldpolitik gegenreagiert. Das ist die kurzfristige Antwort. Die längerfristigen Antworten stehen aber noch aus: Wie kommen wir aus dieser Geldpolitik am Ende wieder
raus? Wir müssen nach der Krisennothilfe wieder auf den fiskalischen Stabilitätspfad zurück. Darüber hinaus müssen wir auch die strukturellen Fragen anpacken. Wir haben in dieser Krise gelernt, dass die Lieferketten z.B. nicht so reißfest sind wie wir dachten. Wir haben es jetzt sehr viel leichter, von den bisherigen Lieferketten auf Produktionsnetzwerke rund um den Globus umzusteuern, um die Reißfestigkeit und Pandemiesicherheit zu erhöhen.

 

Uns beschäftigen heute staatliche Rettungsfonds und bedrohte wirtschaftliche Existenzen. Wie kommt das wirtschaftliche, gesellschaftliche Leben wieder auf die Beine?

Naumer: Da, wo das Geld ausbleibt, bei Selbständigen, kleineren Gewerbetreibenden, müssen wir eine „Brückenfinanzierung“ hinkriegen.Das hat der Staat schon in gewißer Weise gemacht. Da sind auch die Sozialsystemegefragt. Dann ist die Frage: Wann kommen wir aus der Krise wieder heraus? In einigen Branchen ist kaum abzusehen, wann wieder Normalität herrscht. Man muss auch überlegen: Was wird nach der Krise noch bleiben? Ich sehe die furchtbare Tendenz, dass unsere Innenstädte veröden. Das beunruhigt mich zutiefst: Da geht viel Selbständigkeit, Unabhängigkeit und auch Freiheit verloren – und, drastisch gesprochen, bleiben später vielleicht Lagerarbeiter übrig, die das ausliefern, was sie vorher als Selbständige verkauft haben. Wir brauchen Konzepte, um die Selbständigkeit von Gewerbetreibenden zu unterstützen; wir müssen überlegen, wie die Innenstädte wiederbelebt werden können. Wo ich wenig sagen kann, mich auch zu wenig auskenne, ist der ganze Bereich der Kunst. Ich sage nur: Wir haben auch da eine Schuldigkeit unseren Nächsten gegenüber. Ich gebe zu: Ich hab auch ein Amazon-Konto. Ich hab da nie viel gekauft, aber kaufe da heute noch weniger – und sehr viel bewusster im Laden. Meine Kinder sagen: Papa, ich gehe für dich zur Buchhandlung an der Ecke und hol ab, was du bestellt hast – aber du bestellst bitte dort!

 

Ein wichtiger anderer Punkt, der in den vergangenen Monaten zutage getreten ist, ist der Umgang mit Alten, Kranken, Sterbenden und einsamen Menschen. Was zählt beim Leben in Gemeinschaft?

Sr. Kerstin: Im Pflegebereich konnte man Menschen anfangs gar nicht besuchen, danach hat man das schrittweise möglich gemacht. Ich bin dankbar, dass wir in dieser Zeit die Schwestern, die verstorben sind, begleiten konnten. Das haben viele andere betroffene Menschen nicht erleben dürfen. Auch macht es viel aus für Angehörige und Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind und viel vergessen, wenn sie ihre eigenen Leute lange nicht sehen können. Ich bin Gott dankbar, dass das hier bei uns erträglich war, bei allen Einschränkungen. Aber ich weiß, dass sehr viele darunter leiden, dass sie Angehörige, Freunde und Bekannte nicht treffen können. Wie viele andere hoffe ich, dass sich das bald wieder ändert und die unterbrochenen menschlichen Beziehungen sich zunehmend wieder normalisieren. Es gibt aber nicht nur das Negative: Viele Menschen entdecken auch im Alter die Technik neu für sich und lernen, mit einem Smartphone oder Tablet umzugehen.

 

Haben Sie in den vergangenen Wochen darüber nachgedacht, was besonders wichtig ist im Miteinander-Leben?

Hille: Ich hab eine Schwägerin, die mit 80 Jahren jetzt im Pflegeheim ist – und hab mitbekommen, wie bedrückend die Einsamkeit ist, die Menschen in der Situation erleben. Ich bin dankbar, dass im Frühsommer wieder Besuche möglich waren. In einem größeren Kontext ist es eine Frage der Verantwortungauch der Kirchen, dafür zu sorgen, in Gesprächen mit dem Staat, dass auch von seelsorgerischer Seite Begleitung möglich wird: Pastoren, Gemeindeleiter und andere, die einen direkten Auftrag haben, müssen solche Menschen besuchen und eventuell bis zum Tod hin begleiten können. Aus meiner Sicht positiv mit dieser Pandemie verbunden ist, dass über digitale Angebote von Kirchen und Gemeinden Zielgruppen erreicht wurden, die bislang nicht erreicht worden sind. Ich hoffe, dass mit dem Ende der Pandemie neben einem vitalen örtlichen Gottesdienst auch diese Chance weiter genutzt wird. Und wenn ich eben das Politische angesprochen habe: Es gibt bei uns auch die „Wutbürger“.
Für uns alle ist es schwer, die Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten hinzunehmen. Es müsste aber auch Aufgabe der Kirchen sein, zur Loyalität mit dem Staat und
seinen Maßnahmen aufzurufen; ein Verständnis dafür zu wecken, um der Nächstenliebe Willen die Vorsichtsmaßnahmen mitzutragen. Diese Diskussion verläuft ja quer durch Gemeinden und christliche Gemeinschaften. Da sind also Christen, Kirchen, Gemeinden auch selbst stark angesprochen.
Naumer: Für mich sind beim Thema „Wutbürger“ zwei Punkte wichtig: Dankbarkeit und Demut. Das können wir in die Gesellschaft reintragen. Zu „Dankbarkeit“ fällt mir ein: Wir haben eine stabile Regierung, die gut reagiert hat; dafür sollten wir jeden Tag danken. Wo sonst wollten die demonstrierenden Wutbürger“ denn leben, wenn nicht in Deutschland? Wenn ich mir die Krankheits- und Todeszahlen rund um die Welt anschaue, fällt mir nicht viel ein! Ich lebe jedenfalls gern hier. Äußerst dankbar bin ich auch für das, was ich an Kirche neu erlebe. Dank YouTube haben wir viele verschiedene Gottesdienste gesehen – und das macht unglaublich Spaß und Mut! Oder nehmen wir das Beispiel „Deutschland betet gemeinsam“. Ich denke: Wir haben da Kirche von morgen gesehen.

 

Warum ist Ihnen außerdem die Demut wichtig?

Naumer: Wir stoßen häufig auf eine Mentalität, die teilweise an den Turmbau zu Babel erinnert: Forscher, Wissenschaftler und Philosophen wollen die Zukunft denken und versuchen, am Menschen herumzudoktern, „Cyberwesen“ zu schaffen – und dabei die „Krankheit Tod“ abzuschaffen. Und ausgerechnet in dieser Zeit kommt ein Virus, das
uns daran erinnert, wie sterblich wir sind. Darüber müssen wir neu nachdenken. Gott regiert, davon bin ich zutiefst überzeugt. Und er macht uns deutlich: Das Leben steht nicht in unserer Verfügbarkeit! Wir werden menschlich bleiben. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine Lebenserwartung reicht mir. Und das Virus ist, neben allem Schlechten,
das es mit sich bringt, eine wunderbare Erinnerung daran, dass Demut notwendig ist.
Sr. Kerstin: Ich würde auch das Gebet noch dazu setzen. Das ist mir in dieser Zeit wieder ganz wichtig geworden; die Danksagung an Gott und die Fürbitte. Die Kräfte an medizinischem Personal und Feuerwehr, Polizei, auch die Politiker setzen sich ein für das Gemeinwesen – da sind wir Christen gefragt, für diese Leute zu beten. Und – das hab ich in dieser Zeit auch schätzen gelernt: Man kann auch am Telefon gut miteinander beten.

 

Es zeigen sich neue Wege des Miteinanders, auch von Gemein- und Eigensinn. Fördern Krisen wie diese das Gute oder das Schlechte im Menschen zutage?

Hille: Ich denke, beides; die Chance steht auch nach beiden Seiten hin offen. Mir scheint dabei auch ein anderer Aspekt nochmal wichtig, nämlich die Frage: Wo ist eigentlich Gott? Viele sagen: Wenn so eine Krise aufbricht, dann hat Gott versagt! Er wird auf die Anklagebank gesetzt. Das Neue Testament zeigt uns, dass es genau umgekehrt ist: Der Mensch sitzt auf der Anklagebank; er hat sich Gott gegenüber verweigert, wollte selbst „sein wie Gott“. Angesichts dieser Frage: „Wer muss sich vor wem rechtfertigen?“, würde ich ein wichtiges Anliegen dieser Corona- Krise darin sehen, dass es zu einer Umkehr zu Gott kommt. Dann überwinden wir Böses durch Gutes!
Naumer: Nochmal zur Frage von Gemein- und Eigensinn. Ich würde sagen, die Krise fördert das Gute und auch das Schlechte. Dieses Virus trägt ja das Tückische in sich, dass es latent selektiv ist: Es gibt Risikogruppen, Ältere, die zuerst betroffen sind. Und ich beobachte hie und da mit einer gewissen Bitterkeit, dass junge Menschen sich nicht nur ihrer Jugend freuen – dagegen ist nichts zu sagen –, sondern dass sie eine große Unbetroffenheit an den Tag legen. Dabei ist es ja nur eine Frage der Zeit und Lebenserwartung: Vielleicht nur ein paar Jahre, dann sind auch die Jungen in dieser Risikogruppe. Darum: Wir müssen in unserer Gesellschaft und in der jetzigen Situation die Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe betonen. Und dass wir alle verantwortlich vor Gott stehen, egal wie alt wir sind.
Sr. Kerstin: Und wir merken in der Krise ja auch, dass es nicht darum geht, dass Einzelne „groß rauskommen“ – sondern wir begreifen gerade in unserem Alltag, in unseren Beziehungen: Wir brauchen einander!
Naumer: … das führt mich auch zu dem Punkt, dass ich sage: Wir haben als Christen jetzt auch eine Riesenchance! Es gibt mehr Leute, die uns jetzt zuhören können, wir haben mehr Technik, um Menschen zu erreichen. Wir haben zu allen Zeiten für jeden Menschen die wichtigste Botschaft seines Lebens! Insofern müssen wir jetzt nochmal stärker rausgehen und den Gemeinsinn unterstreichen, der nichts anderes ist als eine säkulare Form der Nächstenliebe: Man passt auf den anderen auf – das brauchen wir!
Ich beobachte mit zunehmender Unruhe, dass wir in Deutschland in unglaublich viele soziale Gruppen und Spaltungen auseinanderfallen. Aber der Gemeinsinn, die Nächstenliebe, dieses Wir – das ist wichtig, und da sind wir Christen stark gefragt. Das eröffnet viele Chancen. Das wollen wir gleich auch in einer Schlussrunde diskutieren. Vorher noch die Frage zum Leitthema des Heftes: der an Karl Barth orientierten Überzeugung „Es wird regiert“. Warum können Christen sagen, dass „Gott im Regiment sitzt“? Woraus speist sich diese Überzeugung?
Hille: Die Überzeugung muss konzentriert sein auf die Person Jesu Christi. Wenn wir wissen wollen, wer Gott ist, wie er handelt, wie seine Weltregierung aussieht, dann müssen wir auf das schauen, wer Jesus ist und was er für uns getan hat. Da können wir seine Barmherzigkeit, seine Liebe entdecken. So regiert Gott am Ende die Welt. Wir dürfen nicht nur die knappe irdische Lebensdauer oder historische Epochen sehen, sondern müssen aufs Ganze schauen, auf das Ende, das Gott dann einmal in Herrlichkeit offenbaren und seinen Willen dann auch sichtbar durchsetzen wird. Sr. Kerstin: Für mich ist in diesen Monatennochmal deutlich geworden: Gott ist auch Herr dieser Krise. Und mir kam auch immer wieder die Frage: Was will Gott uns damit auch sagen? Sind wir offen für sein Reden in dieser Zeit? Wird uns deutlich, wie weit wir
uns oft auch von ihm und seinem Wort entfernen? Und dass diese Krise jetzt für uns auch eine Chance ist: auch mehr wieder zu Gott hin zu finden und in seine Gegenwart zu rücken. Das finde ich auch wichtig.
Naumer: Für mich ist unverändert klar, auch schon vor der Krise: Wir haben keinen „Uhrmacher- Gott“! Also einen Gott, der einfach maldie Erde „aufzieht“, zum Laufen bringt, sich das alles anguckt – und am Ende sagt: Okay, das war’s, die Uhr ist abgelaufen. Sondern er ist, auch nach meiner eigenen Lebenserfahrung, immer ein Gott, der eingreift. Und ich glaube, dass auch diese Krise letztendlich zum Guten dient. Ich denke, dass wir – um das Beispiel nochmal aufzugreifen – als Kirche, als Gläubige nach der Krise besser dastehen – weil mehr Menschen Fragen stellen, auf die wir Antworten geben können. Und wir können das mit den technischen Möglichkeiten auch besser
als vorher. Und ich glaube, dass auch das Gebet in der Tat gestärkt wird. Gott greift ein.


Zum Schluss. Die Krise der Corona-Pandemie ist auch eine Anfrage: Wie wollen wir eigentlich leben? Welches besondere Pfund können Christen mit Blick auf eine tragfähige Zukunft in die Waagschale werfen?

Hille: Wir können als Christen deutlich machen: Wir sind nicht sozusagen „unter uns“. Es ist keine Welt ohne Gott. Sondern Gott ist mit Leidenschaft und Liebe an dieser Welt interessiert, und er handelt auch. Diese Perspektive zu öffnen für die Zukunft, dass wir durch das Gebet die Verbindung zu ihm suchen, uns in Demut ihm unterordnen und ihn Herr sein lassen über unser Leben – wenn das von der Gemeinde als Zeugnis ausgeht, dann wird das auch in der Gesellschaft wie Sauerteig
wirken.
Sr. Kerstin: Ganz fromm ausgedrückt, würde ich sagen: Jesus steht vor uns als unsere Hoffnung. In der Krise gibt es Chancen – und Jesus eröffnet uns echte Hoffnung: in dieser Krise, aber auch weit darüber hinaus.
Naumer: Was wir entscheidend in die Gesellschaft hineintragen können, ist: Der Tod ist keine Krankheit. Er ist ein Grundpfeiler unseres Lebens. Wir sollten nie so tun, als seien wir die Herren unseres Lebens. Wir neigen dazu, weil wir sagen, wir haben alles Geld der Welt, wir können überall hinreisen, wir können alle oder viele Krankheiten behandeln … wir leben an der absoluten Wohlstandsspitze, in unserem Land, unserer Region in Europa. Wenn wir erkannt haben,
dass der Tod als ein Grundpfeiler des Lebens dazugehört, öffnet sich die Tür am Ende zur Unsterblichkeit – keine körperliche, sondern eine seelische, geistliche Unsterblichkeit, auf die wir zugehen. Ich denke, da haben wir genug Möglichkeiten, daran zu erinnern und daran zu arbeiten.


Damit haben wir, trotz aller Kürze, einen weiten Bogen geschlagen, mit vielen wichtigen Impulsen. Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Gespräch moderierte Jörg Podworny.