01.10.2016

Sechs Fragen und der Bericht aus Berlin

Uwe Heimowski, neuer Politikbeauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz, im EiNS-Gespräch (EiNS-Ausgabe 4/2016)

Am 19. Oktober wurde Uwe Heimowski (52) als Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung eingeführt (Fotos unten). Ein Gespräch über persönliche Seiten, Begegnungen im politischen Berlin und die öffentliche Stimme der Allianz.

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Sechs Fragen

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Was man über mich wissen muss?

Ich bin relativ spät zum Glauben gekommen, mit 22, habe aus einer Sucht heraus eine tief einschneidende Lebenserfahrung gemacht. Das hat mich geprägt und dazu geführt, dass ich später bei der Heilsarmee gearbeitet, Erzieher gelernt und eine Gruppe für Suchtkranke gegründet habe. Auch mein gesellschaftliches Engagement hat viel damit zu tun. In unserer Regionalzeitung war ein Porträt über mich überschrieben mit: „Ein großes Herz für Randgruppen.“ Das trifft es. Bunt gehört zu mir: Ich bin in einer Pfingstgemeinde zum Glauben gekommen, war in einer Therapieeinrichtung der FeG, habe meinen Zivildienst bei der Heilsarmee absolviert, danach Evangelische Theologie studiert, in Hamburg, Basel, Leipzig und Halle – und bin dann als Quereinsteiger in eine Baptistengemeinde berufen worden. In meiner Biografie spiegelt sich also das Allianzmäßige.

Meine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit?

Ich liebe es in die Sauna zu gehen und zu schwimmen; übrigens auch eine geistliche Erfahrung: Wenn der Körper runterfährt, merke ich, wie gut Gott zu mir reden kann. Ich bin ein großer Sportfan, habe viele Jahre Fußball gespielt; und wenn ich im Fernsehen ein Fußballspiel oder sonst Sport sehen kann, interessiert mich das sehr. Und natürlich bei fünf Kindern: Wir lieben es zu spielen und etwas zusammen zu machen

Der schönste Ort für mich?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: An der Nordsee aufgewachsen, fühle ich mich zu Hause, wenn ich am Meer die großen rauen Wellen sehe. Dann bin ich immer wieder überrascht von Gottes Majestät. Und: Weil ich mit einer Schweizerin verheiratet bin, verbringen wir viele Urlaube bei den Schwiegereltern in den Berner Alpen – das ist natürlich ein Traum.

Was mit Medien?

Ich schreibe gern und viel, bisher gut 20 Publikationen, Bücher, Liedtexte, eine Kolumne im Männermagazin MOVO. Und beim MDR Thü- ringen spreche ich zwei- bis dreimal im Jahr jeweils eine Woche lang das „Wort zum Tag“.

Die wichtigste menschliche Errungenschaft?

Dass die UNO nach dem 2. Weltkrieg die Menschenrechte formuliert hat, halte ich weltanschaulich-inhaltlich für eine der größten Errungenschaften überhaupt. Und wenn ich an die technischen Errungenschaften denke, was sich an Mobilität entwickelt hat in den letzten Jahrzehnten: Dadurch ist die Welt ein Dorf geworden, mit allen Herausforderungen und schönen Seiten.

Ein Lebensmotto?

Den Kopf im Himmel, die Füße auf der Erde.

Bericht aus Berlin

Hat sich der Politikbeauftragte schon in Berlin eingerichtet?

Ich bin dabei. Die Evangelische Allianz unterhält ein Büro in Berlin, in Nachbarschaft zur US-Botschaft und einem Blick auf das HolocaustStelen-Feld. Meine Stelle hat mein Vorgänger Wolfgang Baake seit zweieinhalb Jahren hauptamtlich ausgefüllt. Diese Arbeit führe ich weiter. Ich werde in den Sitzungswochen des Parlaments nach Berlin pendeln; ansonsten gibt es viele Dienste in ganz Deutschland.

Berlin ist kein neues Pflaster für dich. Ist es eine Art Seitenwechsel?

Ich war in den vergangenen Jahren mit einer halben Stelle Gemeindereferent in Gera und mit der anderen Hälfte Referent für Menschenrechte im Bundestags-Büro von Frank Heinrich; außerdem bin ich seit vielen Jahren in Gera im Stadtrat engagiert. Insofern mischt sich die geistliche und die politische Berufung – und das ist auch gut so! Zu meiner Einführung gab es einen Gottesdienst. Die Evangelische Allianz hat mich damit vorgestellt als jemand, der ein geistliches Amt innehat. Klar hat das auch politische Implikationen, aber es ist eben auch eine Weiterführung meiner bisherigen Berufung. Und zum Stichwort Seitenwechsel: Ja, ich vertrete jetzt nicht mehr den einen Abgeordneten, sondern Anliegen, die Christen, die sich zur Allianz halten, gemeinsam politisch für wichtig halten. Wobei mir wichtig ist: Als meine Berufung feststand, wurde ich als „Cheflobbyist der Evangelikalen“ und „Jesus-Lobbyist“ apostrophiert. Gerade das zweite hat natürlich Charme. Aber ich bin kein Lobbyist im klassischen Sinne. Die Allianz steht für Themen und möchte keine Produkte verkaufen ...

… aber auf die Gesetzgebung möglicherweise einwirken.

Klar, aber das ist ein inhaltlicher Lobbyismus.

Worin liegt der besondere Reiz der neuen Aufgabe?

Ich war jetzt 15 Jahre in der Gemeindearbeit; bis zum Ruhestand sind es nochmal 15 Jahre; von daher bot es sich an, noch mal eine neue Aufgabe zu übernehmen. Außerdem: In der neuen Aufgabe kann ich sehr viel dezidierter selber Themen setzen. Bisher waren die politischen Themen stark vorgegeben; es ist natürlich reizvoll, Themen selber zu besetzen. Außerdem ist es eine tolle Geschichte zu sagen: Da ist eine Bewegung, die für die Einheit der Christen steht – und diesen Christen ein Gesicht und eine Stimme zu geben, das ist eine großartige Aufgabe.

Wie weit lässt sich dabei an bewährte Strukturen des DEA-Beauftragten in Berlin anknüpfen?

Neben dem Büro ist natürlich hilfreich, dass der Beauftragte keine neue Figur ist, sondern es ist nur eine neue Person da. Mein Vorgänger Wolfgang Baake hat viele Kontakte, nicht nur zu Bundestagsabgeordneten, führt mich intensiv ein und stellt mir Leute vor – in mehrerenRichtungen. Ich repräsentiere ja nicht nur den Hauptvorstand, sondern viele verschiedene Christen in der Evangelischen Allianz. Da gibt es viele Kontakte innerhalb der Christenheit, von denen ich profitieren, Meinungen, die ich hören kann. Dazu kommen etwa der Arbeitskreis Politik der Evangelischen Allianz, der „Micha“-Verein, in dem ich mich engagieren werde, oder der Arbeitskreis Religionsfreiheit; also viele Strukturen innerhalb der Allianz sind schon da. Insgesamt wird meine Arbeit in den ersten Monaten zu einem großen Teil darin bestehen, mich vorzustellen – und das völlig überparteilich: zu Abgeordneten aller Parteien Kontakte zu pflegen, in erster Linie den Kirchen- und Religionsbeauftragten, aber auch zu Leuten mit thematischer Verantwortung: im Gesundheitsbereich oder im Menschenrechtsausschuss zum Beispiel. Außerdem werden wir als Allianz auch thematisch eingeladen: zu einer Konferenz zum Thema Religionsfreiheit etwa; oder wenn die katholische Kirche einen Empfang gibt, der sich mit dem Thema Lebensende beschäftigt: Dann werden wir mit eingeladen, und dann gehe ich natürlich hin.

Gibt es so etwas wie ein 100-Tage-Programm?

Kurzfristig heißt es vor allem Kontakte zu pflegen: im politischen und auch im kirchlichen Berlin, zu den Beauftragten der evangelischen und katholischen Kirche, der Freikirchen; und da zu gucken: Welche Themen haben wir gemeinsam? Was können wir voranbringen? Wo kann die Allianz etwas beitragen? Ich habe kein bestimmtes Thema, das ich nach 100 Tagen platziert haben möchte. Viel stärker möchte ich gehört haben: Welche Themen beschäftigen die Politiker?

Was sind die wichtigsten Aufgaben-Felder: Wofür steht die Evangelische Allianz in Berlin?

Zuerst steht die Evangelische Allianz für eine bestimmte politische Kultur, die mit Wertschätzung zu tun hat. Politiker sollen wissen: Da sind Menschen im Land, die für sie beten und ihre Anliegen aufnehmen. Wofür ich werben möchte – gerade angesichts dessen, was in den Sozialen Medien aktuell los ist, was an Politikverdrossenheit grassiert – ist Respekt und Wertschätzung Politikern gegenüber. Ein Schwerpunktthema, das sich in den vergangenen Jahren herauskristallisiert hat, ist die Religionsfreiheit, mit dem Schwerpunkt Christenverfolgung – das wird auch ein Riesenthema bleiben. Statistiken sprechen davon, dass 80% der religiös Verfolgten auf der Welt Christen sind. Es geht aber nicht nur um die Engführung auf Christenverfolgung, sondern um Religionsfreiheit insgesamt. Das zweite große Thema ist das Thema Menschenrechte. Und dann werden immer Themen hochschwappen. Aktuell ist viel diskutiert worden über das Prostituiertenschutzgesetz, das Thema Menschenhandel. Da bin ich seit Jahren auch engagiert, im Vorstand des Vereins „Gemeinsam gegen Menschenhandel“. Dazu werden wir in jedem Fall als Allianz auch eine Stimme einbringen.

Dann gibt es Themen, bei denen die Allianz immer wieder da ist. In mehreren Bereichen kann sie eine große Expertise vorweisen. Thomas Schirrmacher etwa wird regelmäßig zu Expertengesprächen eingeladen, seine Frau Christine Schirrmacher zum Thema Islam, das Werk „Open Doors“ ist regelmäßig mit seinen Studien präsent. Dazu kommt der ganze Bereich Lebensschutz. Ich habe zu Beginn dieses Jahres mit Frank Heinrich ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Ich lebe“: mit Porträts von Menschen, die sich zu einem Ja entschieden haben zu Kindern mit Behinderungen. Also: Wie gehen wir mit Menschen um, die von Behinderungen betroffen sind – dürfen die leben? Welche Rahmenbedingungen brauchen sie dafür? Auch die wichtigen Fragen zum Lebensende werden eine große Rolle spielen. 

Welche Hürden wollen genommen werden?

Es gibt ja eine Menge Vorurteile gegenüber Evangelikalen: da kommt schnell das Stichwort „Fundamentalist“ – oder dass wir auf bestimmte wenige Themen reduziert werden können. Das würde ich gern deutlich erweitern, mit Leuten ins Gespräch kommen und Vertrauen aufbauen. Außerdem: Die Evangelische Allianz ist ja strukturell etwas Anderes als die Kirche. Die Allianz ist eine Basisbewegung, zu der Christen und Werke aus unterschiedlichen Kirchen und Hintergründen gehören. Ich möchte mich darum nicht in kirchenpolitische Entscheidungen einmischen.

Nun hat die VEF einen Politikbeauftragten in Berlin, auch die EKD einen „Bevollmächtigten“. Wie weit wird es mit diesen „Kollegen“ Berührungspunkte oder eine Zusammenarbeit geben?

Von mir aus möchte ich den Kontakt gern suchen. Das ist nicht immer spannungsfrei. Aber ich hoffe auf offene Türen. Die Evangelische Allianz ist ja zuallererst eine Einheitsbewegung – und darum ist es ein wichtiges Thema, sich von anderen Christen nicht abzugrenzen, sondern das Gemeinsame zu suchen.

2017 ist Bundestagswahl: Ein besonders wichtiges politisches Jahr?

Die politische Landschaft hat sich ja umgekrempelt. Wir werden, wenn die Umfragen vom Herbst 2016 sich bestätigen, davon ausgehen müssen, dass die AfD 2017 im Bundestag vertreten sein wird. Die politische Konstellation wird anders sein. Was das inhaltlich für die Arbeit in Berlin bedeutet, das kann heute niemand abschätzen.

Um das Gespräch auch persönlich zusammenzubinden: Auf wen oder was freust du dich besonders im neuen Amt?

Ich freue mich auf intensive Begegnungen. Und ich freue ich mich darauf, inhaltlich bei Themen, die sich entwickeln, mitzuarbeiten und sie mitzugestalten. Beim Thema Religionsfreiheit, Christenverfolgung und Flüchtlinge zum Beispiel war die Allianz sehr früh: Sie hat vor allen anderen ein Arbeitsheft zum Thema herausgegeben, wie man Flüchtlingen begegnet. Solche Geschichten kann es gern mehr geben.

Der Theologe und Erzieher Uwe Heimowski ist verheiratet mit Christine, das Ehepaar hat fünf Kinder zwischen 20 und 6 Jahren. Sie sind Mitglieder der Baptistengemeinde G26 in Gera.

Interview: Jörg Podworny