Serie: "Zeitzeuge der Evangelischen Allianz"

Uwe Holmer: Das Miteinander hat mich angezogen

"Die Evangelische Allianz ist mir ein inneres Glück“, sagt Uwe Holmer. Er ist in die Landeskirchliche Gemeinschaft gleichsam „hineingeboren“. Schon als Jugendlicher nahm er teil an der jährlichen Allianzgebetswoche seiner Heimatstadt Wismar, bei der er Geschwister aus anderen Gemeindeverbänden kennen und schätzen lernte. Er merkte bald: Die beten und glauben wie wir in der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Ob sie zur Landeskirche, zu Freikirchen, Methodistenkirche, Baptisten oder anderen gehören, sie glauben und beten zu demselben Herrn. Bald lernte er: Sie sind nicht Konkurrenz zu unserer Gemeinschaft, sondern Schwestern und Brüder. Seine Erkenntnis: Wer von Herzen an Jesus glaubt und ihm nachfolgt, ist ein Jünger Jesu, auch wenn er andere Formen hat, seinen evangelischen Glauben zu leben. Als er als Jugendlicher zehn Monate in einer Lungenklinik verbringen musste, war sein bester Freund ein Mitpatient aus der Methodistenkirche.

„Wie er Schwerkranke besuchte und mit Jesus bekanntmachte, darin wurde er mir Vorbild und Helfer“, erinnert sich Uwe Holmer. Die Evangelische Allianz hat so manche persönliche Freundschaft und im größeren Rahmen Frieden zwischen den verschiedenen Konfessionen geschaffen.

So hatte der zum Zeitpunkt dieses Interviews 91-jährige Pastor die Evangelische Allianz erlebt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Holmer 1990 bekannt, als er dem früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und seiner Ehefrau Margot in den diakonischen Hoffnungstaler Anstalten „Lobetal“ eine vorübergehende Gast-Unterkunft bot, was damals von viel Protest begleitet wurde. Bis dahin hatte er schon zwölf Jahre lang ein Landpfarramt bei Ludwigslust/Mecklenburg geführt. Danach hat er viele junge Menschen als Leiter der Bibelschule in Falkenberg ge-prägt und als Redner bei der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg mitgewirkt.

Er hatte in Jena studiert und von dort aus mit dem Rad in Bad Blankenburg die Allianzkonferenz besucht. Bei dieser Gelegenheit lernte er Theologen wie Walter Michaelis, Werner de Boor und Adolf Pohl kennen. In der Bibelschule Falkenberg bildete er junge Menschen für den Dienst in den Landeskirchlichen Gemeinschaften und der Evangelischen AGAS-Suchtkrankenhilfe (heute wie-der Blaues Kreuz) aus. Regelmäßig baten „Schüler“ darum, im Sommerpraktikum frei zu bekommen, weil sie als Helfer bei der Allianzkonferenz mitarbeiten wollten. Als dann die eigenen Söhne Reinhard, Johannes und Markus alt genug waren, wurden sie von den Bibelschülern in die Mitarbeit hineingenommen und ebenfalls Helfer. Auch die Töchter waren bald als Hilfen im Speisesaal dabei. So kam es, dass nach und nach die ganze Familie dort tätig war.

Allianzkonferenz: Faszination im atheistischen Staat

Adolf Pohl, Direktor des Theologischen Seminars des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, lud Uwe Holmer zu Diensten bei der Konferenz ein. Dem kam der Vater von zehn Kindern gerne nach: „Das Miteinander der verschiedenen evangelischen Gemeinden hat mich gefreut und angezogen.“ Er beobachtete: Das sind genauso fröhliche Christen wie wir Gemeinschaftsleute. Es entstand eine frohe Bruderschaft zwischen der Leitung, den Rednern und der Konferenzgemeinde. Die Jugend half fleißig mit, Zeltplätze und Massenquartiere herzurichten. Eine Gruppe Jugendlicher, „Tippelbrüder“ genannt, wanderte damals die 70 Kilometer aus Cunsdorf in Sachsen schon klimaneutral nach Bad Blankenburg. Diese „Tippeltour“ war legendär und beliebt. Auch dabei waren Kinder der Familie Holmer engagiert. Denn wo sonst trafen sich in DDR-Zeiten so viele junge Christen zu solch seelsorgerlicher und evangelistischer Verkündigung wie bei der Konferenz im Evangelischen Allianzhaus?

Uwe Holmer hatte vor Augen, wie wichtig die Allianz der evangelischen Gemeinden gerade im Umfeld von Spott und Gegnerschaft in der atheistischen DDR war. Sein Paradebeispiel geht so: In einer sozialistischen Schul-klasse in Mecklenburg und Brandenburg gingen von 20 Kindern etwa drei bis vier in die Christenlehre (Religionsunterricht gab es im Sozialismus nicht). Einer war vielleicht lutherisch, der andere Baptist, ein dritter Katholik.

„Wenn diese drei sich noch gestritten hätten, hätten die Klassenkameraden sich doch an den Kopf gefasst und gespottet: ‚Guckt euch die Christen an. Die wissen ja selbst nicht mal, was sie glauben‘!“ In dieser Situation war die Konferenz in Bad Blankenburg eine starke Ermutigung, als Christen zusammen-zustehen.

Von der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg ging eine Faszination aus, weil dort jedes Jahr – in einem atheistischen Staat – einige tausend Leute zusammenkamen. Viele Teilnehmer besuchten regelmäßig die Konferenz und freuten sich auf das Wiedersehen und die biblische Zurüstung für ihr Christenleben zu Hause.

Evangelische Allianz gibt Freiheit und Freude, Weite und Freunde

Uwe Holmer verstand im Laufe der Zeit auch, warum die Evangelische Allianz ihre Anfänge Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Missionsfeldern genommen hatte. Dort waren verschiedene christliche Missionsverbände nahe beieinander tätig. Die Lutheraner tauften Kinder, die Baptisten nur gläubig gewordene Erwachsene. Beide waren aber überzeugt, dass ihre Art zu taufen die richtige sei. Dadurch gab es mancherorts die unerträgliche Situation, dass evangelische Gemeinden einander geradezu blockierten.Vor diesem Hintergrund hatten sich Mitte des 19. Jahrhunderts Missionare verschiedener evangelischer Gemeindeverbände in London  zusammengefunden, um dieses Problem zu klären. Sie fanden eine grundsätzliche Wegweisung in dem bewährten Wahlspruch: „In den notwendigen Glaubensfragen Einheit, in Zweifelsfragen, den nicht grundlegenden Fragen Freiheit und in allem die Liebe.“ Sie entdeckten neu: Wir dürfen nicht zweitrangige Fragen zu erstrangigen erhöhen. Das treibt uns gegeneinander. Wer aber das Wort vom Kreuz – die Verkündigung, dass der Tod Jesu am Kreuz uns Vergebung schenkt – nicht lehrt, ist nicht wirklich Christ.

Auch die leibliche Auferstehung Jesu oder die Lehre, dass die Bibel Gottes Wort ist und uns den Weg zur ewigen Seligkeit bei Gott weist, gehört zu den grundlegenden Lehrsätzen aller Christen in den verschiedenen Gemeindeverbänden. „Diese Überzeugung verbindet alle evangelischen Christen. Darin haben wir denselben Herrn!“, sagt Uwe Holmer.

Ihm ist wichtig, dass die Evangelische Allianz die grundlegenden Glaubenssätze in ihrer Theologischen Basis zusammengefasst hat. „In Tauf- und Ordnungsfragen lassen wir einander Freiheit. Im Glauben an Jesus aber sind wir eins und ebenso in der Liebe zueinander.“

So hat die Evangelische Allianz Uwe Holmer Freiheit und Freude gegeben, auch Weite im Glauben und viele Freunde. Was in Bad Blankenburg in der Konferenzhalle an der Wand geschrieben steht, „Ein Leib sind wir in Christus“, das wollten sie im Alltag praktizieren.

In der Bibelschule Falkenberg, wie auch in der Diakonie in Lobetal, wie auch im Diakonischen Zentrum Serrahn, blickt Uwe Holmer zurück, haben Mitglieder ganz verschiedener Bekenntnisse problemlos und froh zusammengearbeitet, Gott zur Ehre und den Menschen zum Dienst. Sie hielten fest: Wir sind jeder „nur“ ein Glied des einen weltumspannenden Leibes Christi.

Zur Autorin

Margitta Rosenbaum,

gehört zum Arbeitskreis „Frauen“ der Evangelischen Allianz in Deutschland und zum Redaktionskreis des EiNS-Magazins.