Gemeinde als Wildwasser-Rafting

Was die Allianzvorsitzenden bewegt

Durch die Corona-Krise ist uns in Kirchen und Gemeinden eine schwindelerregende Lernkurve auf verschiedenen Ebenen abverlangt worden. Die Orientierung in unserer vertrauten Gemeinde ist wie ein Einkauf beim frisch umsortierten Edeka. Hatte Ge-meindeleben vielerorts bisher etwas von gemütlicher Kanutour, ist es durch Corona zum Wildwasser-Rafting mutiert. Gemeinde leiten in Zeiten massiver Umbrüche – wie geht das?

Es stellen sich Fragen über Fragen, die viele von uns beschäftigen:
•Fluch und Segen der Digitalisierung: Wir erreichen neue Gruppen, andere hängen wir ab. Was hilft?
•Was geht online und was nicht: Welche Bedeutung hat die „leibliche Präsenz‘ der Gemeinde? Hat die Entschleunigung durch Vermeidung von Wegen nicht auch viel Gutes? Werden wir Online-Treffen beibehalten und sie durch gelegentliche Live-Treffen ergänzen?
•Was bleibt von Gemeinde, wenn die Kategorie „Veranstaltung‘ auf einmal abgeräumt wird? Was trägt eine Gemeinde substanziell?
•Kinder im Glauben erziehen – was für Impulse brauchen Eltern in Zeiten ohne Kindergottesdienst?

Es entstehen technische Fragen und neue (urheber)rechtliche Fragestel-lungen rund um die Nutzung von Videotelefonie und Videostreaming.
•Manche fitten Mitarbeiter entpuppen sich als notorisch kamerascheu – was tun!?
•Neue Tools, Apps, Tipps und Tricks für Glaubenskurse, Kleingruppen und Gebetstreffen per Videokonferenz – wie nutzen wir sie am besten?
Und viele von uns machen ähnliche Beobachtungen:
•Corona hat viel Digitalisierungs-Widerstand plötzlich weggeschwemmt! „Online“ wurde zum Qualitätsmerkmal, aber kleine Gemeinden ohne Ressourcen haben es schwer.
•Covid 19 wird zum Beschleuniger: Einige Gemeinden erleben Segen und Wachstum im Online-Schub, andere siechen noch schneller dahin.
•Die Pandemie verstärkt, was vorher schon da war. War eine Gemein-de sehr beziehungsorientiert unterwegs, entfaltet dies jetzt viel Kraft. Haben sich andernorts Beziehungen allenfalls auf den oft ohnehin sehr überschaubaren Freundeskreis reduziert, wird man sich innergemeindlich nun zunehmend fremd.
•Und nicht zu vergessen: Vielerorts gibt es das Pro & Contra zu Präsenzveranstaltungen. Für die einen kommt die Absage von Präsenz-gottesdiensten tendenziell einem Verrat am Glauben gleich, für die anderen sind Veranstaltungsabsagen als vorbeugender Infektionsschutz gelebte Nächstenliebe. Haben alle Beteiligten wirklich die Expertise, um die Situation korrekt einschätzen zu können? Respektvoller Umgang mit Argumenten Andersdenkender sollte ein Lerneffekt in der Pandemie sein!
•Hat diese so global noch nie dagewesene Pandemie im Fahrplan Gottes mit seiner Erde eine Bedeutung?

Vielleicht warten Sie auf Antworten auf diese vielen Fragen und Themen. Viele Antworten hängen aber auch von der lokalen Situation ab. Ich möchte dazu anregen, mögliche Antworten vor dem Hintergrund der eigenen Gemeindesituation vor Ort zu diskutieren; was vielerorts auch schon geschieht.
Bei allem ist eins sicher: Wenn schon nach der Zusage Jesu die Pforten der Hölle die Gemeinde Jesu nicht überwältigen können (Matth 16,18), weil sie „die Gemeinde des lebendigen Gottes“ (1. Tim 3,15) ist, dann wird auch die Coronakrise sie nicht aus der Bahn werfen können. Denn Christus selbst ist ihr „Haupt“, er wird sie segnen und schüt-zen. Gemeinde Jesu stand und steht im globalen Kontext ganz andere Krisen durch. Darum sollten wir erwartungs- und glaubensvoll vorwärts gehen und ihm, dem Haupt der Gemeinde, vertrauen.

Ekkehart Vetter