Offen für Menschen aller Couleur

Die Pfingsttagung Bobengrün hätte in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum gefeiert

Zum 75. Mal, so war es geplant, sollte die Pfingsttagung in Bobengrün in diesem Jahr stattfinden. Bis zu 10 000 Menschen wurden vom 30. Mai bis 1. Juni im 500-Einwohner-Dorf in Oberfranken eigentlich erwartet. Oder besser: im Wald bei Bobengrün. „Ein Treffen im Wald unter Gottes Wort“ und „Pfingsten in Bobengrün kann Spuren im Leben hinterlassen“, heißt es auf der Homepage. Nun wird es am Pfingstsonntag morgens einen Gottesdienst-Livestream geben, nachmittags eine Festversammlung und abends eine jesus night für junge Leute.

Die Pfingsttagung ist eines der deutschlandweit größten christlichen Treffen unter freiem Himmel – und eines der ältesten. Das Programm hat sich in den Jahren kaum geändert: Anreise am Samstagnachmittag, abends die erste große Veranstaltung in der Open-Air-Arena mitten im Wald. Am Sonntag je eine Veranstaltung vormittags und nachmittags; der Abend ist der Jugend vorbehalten. Die Erwachsenen treffen sich dann in der Bobengrüner Kirche. Mit einer gemeinsamen Veranstaltung am Montagvormittag endet das Treffen. 

„Die Mitte der Tagung ist Gottes Wort. Sonst gibt es nicht viel Außergewöhnliches“, sagt Michael Götz, Generalsekretär des CVJM Bayern. „Das Programm ist nicht vollgestopft. Es gibt viel Zeit für Seelsorge und Begegnungen“, erklärt er. Drei Dinge sind ihm wichtig: 1. Es sollen viele zum Glauben kommen und im Glauben gestärkt werden. 2. Seelsorge. Aus eigener Erfahrung kann er von vielen Gesprächen berichten und davon, wie Menschen hier wichtige Weichenstellungen für ihr Leben fanden. Zwischen den Großveranstaltungen ist viel Zeit dafür. 3. Die Begegnungen und das Kennenlernen von Menschen unterschiedlichster Prägung.

Viele der etwa 2.000 Dauerteilnehmer zelten im Wald, mit Sondergenehmigung der Kommune. Andere sind in Behelfsunterkünften und Sälen untergebracht. Auch Pensionen und kleine Hotels in der Nähe werden genutzt. Dazu kommt eine große Anzahl von Tagesgästen. Besonders auf den Zeltplätzen wird Allianz gelebt, auch wenn keiner davon spricht: „Da zelten Baptisten neben Leuten aus der Landeskirche, und Leute aus der Brüdergemeinde grillen mit Pfingstlern ihre Bratwurst. Das Ganze findet in der schönen Natur statt. Das bringt manche Herausforderung mit sich, schon wegen des Wetters, das von Kälte über Hagel bis 35 Grad Hitze schon alles geboten hat“, erzählt Michael Götz.

Möglichkeiten zur Begegnung bietet auch das IndiacaTurnier. Etwa 60 Mannschaften kämpfen auf dem Rasen buchstäblich um die Wurst (der Preis!). Gespielt wird zwischen den Veranstaltungen. „Es ist ein irres Spektrum von Menschen, die da im Wald zusammenkommen“, schwärmt Götz. Viele bringen Freunde und Bekannte mit. Inzwischen kommen ehemals Jugendliche mit ihren Familien, sodass immer mehr Familien auf dem Zeltplatz zu finden sind. Alle Generationen sind angesprochen. Bei den Open-Air-Veranstaltungen spielt es keine Rolle, wenn sich die Kinder zwischen den Klappstühlen tummeln. Senioren werden mit einem Bus herangefahren und laufen die letzten Schritte zu den bereitgestellten Klappstühlen. Nur abends gibt es ein Alternativprogramm für die Jugend, sonsten sind alle gemeinsam dabei.

Neu: Bobengrün für internationale Gäste

Seit drei Jahren gibt es doch etwas Neues in Bobengrün: das „Inter-Camp“, ein Großzelt für internationale Gäste. Mit Bussen aus Nürnberg, Fürth und Bayreuth kommen rund 150 Geflüchtete zur Tagung. Für sie gibt es Simultanübersetzung in Farsi und einige gesonderte Angebote. Ein iranischer Verkündiger spricht über spezielle Themen. Die neuen Gäste „finden es super, auf der Wiese zu liegen und eine Predigt zu hören“, sagt Thomas Göttlicher, der für die Arbeit mit Geflüchteten im CVJM Bayern verantwortlich ist. „Für sie ist es eine besondere Möglichkeit, herauszukommen und mit anderen Christen zusammen zu sein“, erklärt er und freut sich, dass die Gemeinden diese Aktion auch finanziell mittragen. Man empfinde es als Segen, auf diese Weise gemeinsam Glauben zu leben. Zunehmend werden Kontakte geknüpft. Die Gäste sollen bewusst integriert werden und nicht nur ihre eigenen Meetings haben. Immer öfter kommen auch Deutsche zu Begegnungen ins Inter-Camp. „Da wächst was“, sagt Werner Baderschneider, Vorsitzender des CVJM Bobengrün.

Er trägt mit seinem Verein die Verantwortung für die Pfingsttagung.  Doch während dieser Tage soll der Verein bewusst keine Rolle spielen. Nur wer genau hinschaut, sieht im Tagungs-Logo, dass der CVJM Veranstalter ist. „Unser Ziel ist es, Menschen aller Couleur anzusprechen“, sagt Baderschneider. Die Tagung sei auch eine Plattform für Leute, die nie in die Kirche gegangen sind, die aber die Frage nach Gott auch nie losgelassen hat. Da die Veranstaltung mitten im Wald stattfindet, kann jeder dazukommen oder wegbleiben, ohne dass es auffällt. Man kann einen Spaziergang machen oder hinter dem Busch sitzen und zuhören, meint der Vorsitzende. Von Anfang an ging es auf der Pfingsttagung um eine fröhliche Glaubensvermittlung, erzählt er weiter: „Wir sind offen für alle Leute, ob katholisch, evangelisch, freikirchlich oder Gemeinschaften. In fröhlichem, evangelistischen und missionarischen Geist sollen Leute eingeladen werden und ermutigt, im Glauben zu bleiben. Wir wollen offen zur Welt sein und uns nicht abschotten. Für Vereinsmeierei ist da kein Platz.“ Darum werden auch keinerlei Einladungen für andere Veranstaltungen ausgelegt, nicht mal vom CVJM selbst.

„Das war schon dem Hägel Hans sehr wichtig, dass es keine Verbandsveranstaltung ist, sondern für alle Menschen offen“, sagt Werner Baderschneider, der örtliche CVJM-Vorsitzende. Der Bäckermeister Hans Hägel hatte nach dem Ersten Weltkrieg dafür gesorgt, dass die Tagung wieder stattfand. Er war missionarisch in der Umgebung unterwegs, um den Menschen Mut zu machen. Am Schluss seiner markanten Reden rief er: „Kommt alle an Pfingsten nach Bobengrün!“ So kamen 1946 400 Menschen zur ersten Konferenz nach dem Krieg. Angefangen hatte alles schon viel früher: mit einem bettlägerigen jungen Mann in Haueisen, einer winzigen Siedlung. Sein fröhlicher Glaube strahlte so aus, dass er dazu einlud, ihn an Pfingsten zu besuchen. So trafen sich 1914 
 36 Leute beim „kranken Martin“. Und sie beschlossen: Das machen wir jetzt jedes Jahr! 1937 wurde die Tagung vom Hitler-Regime verboten, aber 1946 wieder ins Leben gerufen. Bis heute. Fast. (Info: pfingsttagung-bobengruen.de).

Zur Autorin

Die Autorin, Margitta Rosenbaum, gehört zum Arbeitskreis „Frauen“ der Evangelischen Allianz in Deutschland und zum Redaktionskreis des EiNS-Magazins.