Der Stellenwert des Gebets

Liebe EiNS-Leser,

wir sind angekommen im Jahr des Reformationsgedenkens. Wir haben tausende Gründe, dankbar auf die Ereignisse der Reformation zurückzuschauen. Aber wir brauchen noch mehr: Wir müssen fragen nach dem, was Reformation heute für uns bedeutet. Von welchem Schlaf müssen wir aufstehen? Von welchen Fehlentwicklungen, Verirrungen und Verwirrungen brauchen wir Befreiung? Wie kommt unser Leben in Form, zurück in die Form (Re-form), in die Jesus Christus uns bringen will? Uns persönlich, aber auch die „Formation“ der Gemeinde von Jesus Christus im 21. Jahrhundert, 500 Jahre nach der Reformation? Daran wollen wir mitdenken und mitarbeiten, auch als Evangelische Allianz-Bewegung.

Viele Thesen wurden und werden landauf, landab diskutiert. Auch für dieses Heft haben wir viele Stimmen eingeholt, was Reformation und Reformationsgedenken bedeutet. Ich wage auch eine These:

Ohne Gebet hat Kirche Jesu Christi keine Kraft

Die deutsche Christenheit ist gebetsarm. Sie muss wie in den ersten Tagen der christlichen Gemeinde wieder eine Gebetsbewegung werden. Das fängt bei uns persönlich an. Welchen Stellenwert hat das Gebet in unserem Alltag? Im Leben der hauptamtlichen Mitarbeiter und Funktionäre? Nehmen sich die Lutheraner Luther zum Vorbild, von dem gesagt wird, dass er sich wegen seiner Fülle von Arbeit erst einmal drei Stunden Zeit zum Beten nehmen wolle? 

Oder schauen wir noch besser auf Jesus selbst. Seine Gebetspraxis rund um die Uhr lässt sich im Neuen Testament studieren. Beobachten wir die Gebetspraxis in der ersten Gemeinde. Schon vor dem Pfingstfest war das ständige und einmütige Gebet charakteristisch (Apostelgeschichte 1,14). Und als vom Heiligen Geist durchdrungene Gemeinschaft war das Gebet eine Säule des Gemeindelebens (2,42). Darum war das Gebet das wichtigste Handeln der Gemeinde in der anbrechenden Verfolgung (12,5), auch wenn es mitunter – wie bei uns – daran mangelte, die sofortige Erhörung des Gebets für wahrscheinlich zu halten (12,14-16).

Und wie sieht es bei uns aus? Wir schätzen, dass in der Gebetswoche zu Jahresbeginn an etwa 1.000 Orten in unserem Land gebetet wurde. Wir freuen uns über Berichte von vollen Gebetsgottesdiensten – die gab 

und gibt es – neben denen, wo sich eine kleine Schar von Betern traf. Es wurde und es wird gebetet. Aufgrund der Rückmeldungen gehen wir von rund 300.000 Teilnehmern aus. Ich bin nach wie vor der Überzeugung: Gäbe es die Allianzgebetswoche noch nicht, wir sollten sie rasch erfinden! 

Aber wie ist das sonst mit den Gebetstreffen während des Jahres? Muss man Stühle stellen, wenn in Gemeinschaften und Gemeinden Gebetsstunden angesagt sind? Warum sind eigentlich Gebetsversammlungen noch schlechter besucht als Gottesdienste? Sind nicht im 27. Jahr nach dem Mauerfall in Deutschland alle der Auffassung, dass die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands entscheidend mit den sogenannten „Montagsgebeten“ in der DDR zu tun hatte? Wenn die Beobachtung wahr ist: Was könnte geschehen, wenn sich Christen an allen Orten weiterhin jeden Montag zum gemeinsamen Gebet versammelten? Das war übrigens die Empfehlung bei der Gründung der Evangelischen Allianz 1846 in London. Man rief nicht nur dazu auf, die erste Woche des Jahres als Woche des Gebets zu nutzen. Nein, alle Christen an allen Orten sollten sich wöchentlich Zeit zum gemeinsamen Gebet nehmen. Würde es uns und unseren Gemeinden nicht gut tun, wenn wir dies wiedergewinnen würden, dem gemeinsamen Gebet diese hohe Priorität zu geben? 

Bleiben Sie jedenfalls mit uns dran im Gebet! Es gibt viele gute Gelegenheiten. Tägliche Gebetsanliegen, für verfolgte Christen, monatliche Gebetsthemen, das 30-Tage-Gebet für die islamische Welt (das in diesem Jahr schon am 26. Mai beginnt, darum in der Beilage die Bestellmöglichkeit für die Gebetshefte) oder der Gebetssonntag für verfolgte Christen (12. November) kurz nach dem Abschluss der Reformationsfeiern. 

Wir bleiben im Gebet verbunden,

Ihr Hartmut Steeb