01.04.2017
„Dem Anderen seinen Glauben glauben“
Im Gespräch: Pastor Siegfried Winkler (München) (EiNS-Ausgabe 2/2017)
Im März wurde Siegfried Winkler zum neuen 2. Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz gewählt. Im EiNS-Gespräch stellt der „Neue“ (der so neu gar nicht ist) an der Seite des 1. Vorsitzenden Ekkehart Vetter sich vor:
Ein paar Fragen zur Person: Was man über mich wissen muss, ist …
Ich bin 52 Jahre alt und seit 29 Jahren begeistert verheiratet. Wir haben drei Kinder zwischen 25 und 22 Jahren. Unser ältester Sohn ist Pastor. Die anderen beiden engagieren sich in Richtung wirtschaftliche Zusammenarbeit, soziale Gerechtigkeit. Als Eltern sind wir wieder allein lebend, was wir ziemlich gut finden: Wir genießen die Freiheiten, auch mal spontan etwas tun zu können.
Eine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit …
Ich toure gern mit dem Motorrad durch die Berge, die vor unserer Tür liegen. Im Winter gehe ich snowboarden, wenn ich dazu komme. Sonst gehe ich ins Fitnessstudio – wegen „klassischer“ Rückenprobleme. Es macht aber auch Spaß, sich richtig auszupowern. Bewegung brauche ich wie ein Stück Lebenselixier.
Was ist Siegfried Winkler für ein Urlaubs-Typ?
Wir sind Camper, haben einen Wohnwagen und fahren gern Richtung Süden, mit Begeisterung nach Kroatien oder Italien. Es muss warm sein und am Meer. Als Camper liegt uns die Unabhängigkeit. Wir entscheiden manchmal am Tag, bevor es losgeht, wohin wir fahren.
Genuss, das ist für mich …
… ein schöner Abend mit meiner Frau im Biergarten. In München gehen wir gern in den „Hofbräukeller“, der nur ein paar Hundert Meter von uns entfernt liegt; wir sind befreundet mit dem „Wiesn“-Wirts-Ehepaar Steinberg. Auch sonst gibt’s im Umkreis schöne, urige Biergärten, wo man gut sitzen kann; auch im Englischen Garten oder an der Isar.
An Medien nutze ich …
Ich bin bei Facebook unterwegs; und auf Youtube schaue ich mir gern Sachen an, die ich als Beispiele für eine Predigt nutzen kann. Ansonsten haben wir eine WhatsApp-Familiengruppe. Unsere Kinder leben recht „verstreut“– unsere Tochter studiert in Lissabon, unser Jüngster ist in Berlin der andere in Frankfurt – da haben wir die Chance, in Kontakt zu sein.
Mein Lebensmotto lautet?
Ich bin jemand, der gerne Dinge in die Hand nimmt – und bin schon vor langer Zeit auf den Vers gestoßen: „Der Herr wird für euch streiten, ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14). Das ist für mich eine Riesen-Lernaufgabe: Still sein, Gott machen zu lassen. Ihm Raum zu geben. Und ich entdecke immer wieder fasziniert: Ja, es stimmt! Er ist es, der gestaltet und das Entscheidende tut.
Das zeigt sich auch in deiner Lebens-geschichte. Du warst Bäcker – und hast dann eine Bibelschulausbildung gemacht. Wie wird man vom Bäcker zum Theologen?
Durch ein Berufungserlebnis, wie ich es bis jetzt nur einmal im Leben hatte. Ich war mit Leidenschaft Bäcker, habe schon in der Schulzeit samstags in einer Bäckerei gearbeitet. Und dann habe ich bei einer Rüstzeit ein massives Reden Gottes in mein Leben erfahren. Von jetzt auf gleich war klar, ich sollte nach Marburg, nach „Tabor“ gehen und dort eine theologische Ausbildung absolvieren. Von dem Zeitpunkt an gab es keine Fragen mehr; das hat sich „einfach“ so ergeben. Und ich bin dankbar für diesen Weg.
Gehen wir gedanklich zur Evangelischen Allianz. SPRING und die Allianzkonferenz sind zwei feste Highlights im Jahreskalender. Was ist das Besondere?
Die Allianzkonferenz war für mich bisher nicht so in Reichweite, weil sie regelmäßig am Anfang der Ferien oder am Ende der Schulzeit in Bayern liegt, da läuft in der Gemeinde eine Menge. Deswegen bin ich gespannt zu erleben: Wie kann man die Anliegen der Allianz und das, was in Bad Blankenburg gewachsen ist, so in die Zukunft weiterführen, dass es als ein geistliches Zentrum mit geistlicher Ausstrahlung seine Kraft behält?
Bei SPRING bin ich seit den ersten Jahren in Ruhpolding dabei; mittlerweile gehöre ich zum lebenden Inventar (lacht). Das Besondere dort ist die Vielfalt von Menschen, die miteinander die Woche mit einer Fülle von Angeboten erleben. Dazu gehört die theologische Bandbreite, die ich als eine große, bereichernde Herausforderung sehe: sich darauf einzulassen, wenn Leute ganz anders an Themen herangehen, andere inhaltliche Schwerpunkte setzen, eine andere Frömmigkeit leben. Das entdecke ich als große Bereicherung.
Welche anderen Höhepunkte gibt es im Jahr?
Auf jeden Fall die Allianzgebetswoche. Im Gemeindeprogramm geht es nach Silvester mit Vollgas weiter. Da ist die Gebetswoche eine wichtige Zäsur: um sich bewusst Zeit zu nehmen, für das Gebet, zusammen mit anderen – auch das ist eine geistliche Bereicherung.
Du warst seit 1996 Vorsitzender der Evangelischen Allianz München, hast den Vorsitz jetzt abgegeben. Wie würdest du die Arbeit dort kennzeichnen, mit 30 landes- und freikirchlichen Gemeinden und Werken?
Unsere Geschichte in den vergangenen zehn Jahren hat uns sehr geprägt. Wir sind aus einer klassisch evangelikalen Gruppe heraus gewachsen, in der Charismatiker bewusst keinen Platz hatten. Parallel hat sich ein Netzwerk, der „Kreis Münchener Leiter“, gebildet, in dem sich eher die charismatische Gruppe getroffen hat. Das war „sauber“ getrennt.
Und dann ist durch die Vorbereitung für ProChrist 2006 etwas zusammengewachsen. Wir haben gemerkt: Entweder wir machen’s gemeinsam oder es geht nicht! Im Laufe von Monaten und Jahren sind dann Vertrauensbeziehungen gewachsen. Bewusst haben wir damals Ja gesagt zueinander, bei aller Unterschiedlichkeit in Erkenntnis und Frömmigkeit. Das Miteinander der unterschiedlichen Bewegungen – vom Netzwerk „Miteinander für Europa“, von „Evangelium 21“, von Vineyard oder dem Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden – lebt heute von dem Vertrauen zueinander. Dieses Vertrauen ist für mich der Schlüssel. Es geht darum, gemeinsam unterwegs zu sein; dem Anderen seinen Glauben zu glauben.
Und es braucht Begegnungen. Du kannst zehnmal über theologische Fachfragen reden.
Das hat nicht die Wirkung, als wenn du dem Anderen persönlich begegnest. Unser jährliches „Pastorengrillen“ ist so eine Begegnungsebene. Die Beziehungen sollen vertrauensvoll wachsen können. Bei unseren regelmäßigen, dreistündigen, Allianz-Sitzungen nehmen wir uns in der ersten Stunde viel Zeit, um füreinander zu beten und uns auszutauschen: Was bewegt den Einzelnen? Diese Zeit, in der wir ein-ander „dienen“, hat uns als Gemeinschaft geprägt. Es ist mehr als eine Arbeitssitzung.
Wie überraschend war deine Wahl zum 2. Allianz-Vorsitzenden?
Ich hätte gut auch andere in der Aufgabe gesehen, die vielleicht noch mehr oder anders befähigt gewesen wären. Als ich dann so deutlich vorgeschlagen war, war die Frage für mich: Kann ich mich in dieser Aufgabe sehen? Im Gespräch mit anderen, auch mit meiner Gemeindeleitung, konnte ich schließlich von ganzem Herzen Ja sagen – nicht nur: Wenn’s sein muss … Ich sehe es so: Es ist Vertrauen da, wenn man gewählt wird, und es ist ein Auftrag, der mir gegeben wird.
Nun gibt es ein neues Vorsitzenden-Tandem, manches hat sich geändert, unter anderem trägt die neue Führungsriege jetzt Vollbart …
(lacht herzhaft) Okay. Dann muss aber Hartmut Steeb noch nachziehen …
Gut, das ist eine Herausforderung für ihn. Ernsthafter: Der Geschäftsführende Vorstand hat sich stark verändert, er ist fast zur Hälfte neu gewählt. Mit welchen Erwartungen blickst du nach vorn?
Sehr zuversichtlich. Natürlich brauchen wir jetzt eine Phase, um uns in der gemeinsamen Arbeit zu finden, zusammenzuwachsen. Aber es sind alles Leute mit einer Riesen-Allianzgesinnung und einem leidenschaftlichen Allianz-Horizont. Persönlich erwarte ich, dass man jetzt noch intensiver einbezogen ist in Entscheidungsprozesse, die innere Beteiligung in Diskussionsprozessen höher wird.
Gibt es unter den Allianz-Aufgaben ein eigenes großes Herzensanliegen?
Ja. Für mich ist das Evangelisation. Ich glaube, da kann Evangelische Allianz noch etwas entdecken; Evangelisation vielleicht in einer Größe denken, die über die einzelnen Werke hinausgeht. Ich glaube, dass Evangelisation in der Zeit, in der wir leben, immer neue Impulse und Ideen braucht. Wie können wir unser Land mit dem Evangelium erreichen? Da hat Allianz eine Riesenchance: durch die Breite der Werke Evangelisation neu zu denken, manches neu zu wagen – in unterschiedlichsten Projekten, aber groß in der Erwartung. Das liegt mir sehr auf dem Herzen.
Und Evangelische Allianz in sechs Jahren …
… wünsche ich mir als ein lebendiges Netzwerk, in dem auch die jüngere Generation sich voll und ganz wiederfindet. Wir brauchen die nächste Generation. Da müssen wir künftig bewusst auch einen Schwerpunkt setzen, über die Begegnung zwischen den Generationen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Jörg Podworny