01.09.2023
Engagement hinein in die Welt: Runder Tisch will Katastrophenhilfe koordinieren
Ein Bericht von Frank Heinrich
Evangelischen Allianz will künftig die Katastrophenhilfe koordinieren mit neuem Runden Tisch
Im Laufe der vergangenen Monate hat sich ein neuer Runder Tisch der Evangelischen Allianz Deutschland herausgebildet. Der Anstoß dazu ist entstanden aus der Not heraus: Das Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens am 6. Februar 2023 war eine der folgenreichsten Katastrophen unserer Zeit. 59.259 Tote und mehr als 125.000 Verletzte wurden in den darauffolgenden Wochen geborgen. Unter anderen haben auch viele christliche Organisationen begonnen mit ihrer so nötigen Arbeit. Bei uns als Evangelischer Allianz gingen Anfragen auf Unterstützung wie auch Spendenaufrufe ein. Und wir gingen daraufhin in uns, mit der Frage: Was könnten wir tun – was nicht von vielen einzelnen Organisationen besser getan werden kann? Mich erinnerte das sehr an die Katastrophe in Haiti im Jahre 2010. Manches bei der Reaktion auf das Erdbeben und die Folgen hat mir damals sehr weh getan. Denn es waren viele Hilfsorganisationen im Einsatz und es kam vor, dass man sich teilweise gegenseitig behinderte auf den Transportrouten und Flughäfen. Bei uns in Bad Blankenburg gingen für die aktuelle Katastrophenhilfe einige Spenden ein, von denen wir einen Großteil sehr zeitnah für konkrete Erdbebenhilfeleistungen über unsere Netzwerkpartner verwendet haben und so sehr effizient geholfen werden konnte. Aber wir hatten kein fertiges Konzept, wussten nicht, wie wir damit am besten umgehen sollten. Wir haben nur bedingt Überblick. Wir gaben die Frage deshalb an uns näherstehende, in dem Bereich tätige Hilfsorganisationen weiter. Aber das war nur der Anfang. Wir starteten anlässlich dieser aktuellen Katastrophensituation mit einer Umfrage unter allen Organisationen im Dunstkreis und unter dem Schirm der Evangelischen Allianz, die mit dieser Thematik zu tun haben. Wir wollten wissen: Wer wäre daran interessiert, sich in und für solche Situationen besser abzustimmen? Braucht es Koordination bei Kapazitäten und Know-how? Insbesondere weil wir wissen, dass dies nicht die letzte zu erwartende Notlage sein wird. Wie können und sollten wir gemeinsam besser werden? Auf diese schnell aufgesetzte Abfrage antworteten weit mehr Organisationen (knapp 40), als wir erwartet hatten. Und, was uns sehr freute: Auch für das zusätzliche konkrete Angebot, sich zu treffen, um zu lernen und abzustimmen zeigten sich viele offen.
Vernetzung soll zu Win-Win-Situationen führen
Wir sind noch ganz am Anfang, aber wir werden uns im Herbst in Bad Blankenburg zusammensetzen. Etwa 30 Vertreter der Organisationen haben zugesagt. Wir wollen gemeinsam herausfinden, wie und wobei wir einander brauchen, um besser zu werden. Darin folgen wir unserem Motto: „Nicht tun, was andere tun können – und darauf konzentrieren was nur (oder besser) gemeinsam geht.“ Mag sein, das wir herausfinden, dass es uns als Evangelische Allianz in Deutschland dabei sehr wohl auf die eine oder andere Weise braucht. Aber wenn es auch ohne uns geht, dann prima! In einigen Nachbarländern gibt es erste gute Erfahrungen und von denen wollen wir ebenfalls profitieren. Wir vermuten, dass die Vernetzung zu Win-Win-Situationen führt und wir gemeinsam viel wirkungsvoller mit den jeweiligen Mitteln und Kompetenzen umzugehen lernen. Wie oft wir uns treffen und ob dies nach einer Abstimmungsphase hauptsächlich in akuten Katastrophenszenarien sein wird, werden wir wahrscheinlich bald herausfinden. Einige unserer Freunde und Partner haben viel Erfahrung „on the ground“, andere wissen, wie logistische Abstimmung besser werden kann. Das gilt es bei unserem Treffen nebeneinander zu legen und klug zu vernetzen. Die großen Herausforderungen sind sehr oft die Logistik und die angemessene Hilfe vor Ort. Wer kennt sich wie gut am betroffenen Ort aus, was sind die wirklichen Bedarfe und wer ist wie ausgestattet und kann was alles anbieten? Das gilt es zu besprechen. Wenn wir wegkommen von dem persönlichen NGOKontext und -denken, sehe ich sehr große Vorteile für eine bestmögliche Reaktion vor Ort. Dazu braucht es ein Voneinander-Wissen und Miteinander-Denken und gegenseitiges Vertrauen. Da sind wir nach meiner Einschätzung als Evangelische Allianz eine gute Plattform. Als Allianz sehen wir in fünf Bereichen einen besonderen Auftrag und dazu gehört auch unser Engagement hinein in diese Welt. Bei diesem entstehenden „Runden Tisch Katastrophenhilfe“ kommt der weltweite Horizont der Evangelischen Allianz zum Ausdruck. Und zudem wird deutlich, dass wir nicht nur uns selber genug sind, wir brauchen uns gegenseitig, um denen in Not bestmöglich dienen zu können. An diesem Beispiel lässt sich neben der aktuellen Lage im Krisengebiet und der koordinierten Hilfe gut beschreiben, wie wir uns auch für die Zukunft aufstellen wollen. Nicht wir als Evangelische Allianz suchen uns aus, was uns wichtig erscheint. Vielmehr sind wir angewiesen auf all die Herznerven und Mit-Glieder am Leib Christi. Und dann wollen wir hören, was Not tut und wo wir gemeinsam besser sein können als in der Addition aller Einzelteile – entgegen einem Trend unserer Zeit, bei dem jeder den Eindruck erweckt, sich selbst genug zu sein.
Allianz-Netzwerk: Da sein, wo es dringend ist
Wenn wir über die Lage in Katastrophensituationen und die Bildung dieses potenziellen Arbeitskreises hinausdenken, so beschreibt dieses Vorgehen sehr gut, wie wir auch in Zukunft weitergehen, unsere Netzwerkebene beleben wollen. Wir wollen da sein, wo es dringend ist und wo wir ohne „einander“ nicht wirklich gut weiterkommen. Das kann in einen neuen Arbeitskreis münden, kann aber auch ein aktuelles Projekt sein, an dem für einen gewissen Zeitraum zusammen gedacht und geplant wird; oder auch eine Initiative, die sich unter einem Ziel bildet. Die Gedanken und Ideen dazu, liegen in jedem von uns – und dabei auch bei allen, die diesen Artikel lesen. Wenn wir uns etwas wünschen könnten, dann wäre es eine breite Beteiligung. Die Projekte und Initiativen wollen wir je nach Anliegen und Ziel so machbar wie möglich machen. Unsere einzige Prämisse für solche Beteiligungen und Arbeitsbereiche, in denen wir uns einsetzen, ist die Glaubensbasis und die Zuordnung zu den 5 Säulen unserer Allianz-Arbeit. Sie sind seit mehr als 150 Jahren im Kern gleich geblieben – und lauten: Einheit, Gebet, Bibel, Evangelisation und gesellschaftliches Engagement.
Frank Heinrich
ist Vorstand der Evangelischen Allianz in Deutschland