27.11.2020
Die Einheit unter Christen
Gedanken des Allianzvorsitzenden zum Neuen Jahr
Zoff in Korinth, Fraktionen in Ephesus, Gräben zwischen unterschiedlichen Milieus in Galatien (Gal 3,28), theologische Differenzen in Rom (Römer 14f), Hauen und Stechen zwischen Streithähnen in Philippi (Phil 4,2) – die neutestamentlichen Briefe liefern ein Portfolio handfester Auseinandersetzungen, menschlicher Eifersüchteleien, theologischem Hickhack, kultureller und religiöser Trennungsgräben. Die Lösung ist, unterschiedlich formuliert, letztlich immer gleich: „Er ist unser Friede“ (Eph 2,14), wir viele sind „ein Leib in Christus“, sollen einander so annehmen, „wie Er uns angenommen hat“. Die getrennten Gruppen in Galatien sind „allesamt einer in Christus Jesus“, Gott hat „durch Ihn alles mit sich versöhnt“. Einheit unter Christen ist somit nicht zuerst ein Produkt multilateraler ökumenischer Bemühungen, sondern wächst auf dem Fundament, das gelegt ist (1.Kor 3,11), nämlich Jesus Christus, durch Hingabe an und Vertrauen und Liebe zu ihm, im gemeinsamen Hören auf Sein Wort. Aber zum aktuellen Faktencheck gehört auch: Ob wir von Taufe und Abendmahl reden, von der Lehre von den letzten Dingen (Eschatologie), ob wir an ethische Überzeugungen denken, z.B. den Dienst mit der Waffe oder die Frage der Wiederverheiratung Geschiedener – es bleiben seit eh und je unterschiedliche Überzeugungen unter denen bestehen, die sich dem Netzwerk Evangelische Allianz (EAD) zugehörig wissen. Ja, wir schätzen eine gewisse Weite in diesen und anderen Fragen, weil wir uns in Bezug auf zentrale Themen „eins“ wissen. So wird ein gemeinsames Beten und Agieren von Christen möglich, die zwar längst nicht in allen Fragen zu gleichen Entscheidungen kommen, aber in Grundfragen des Glaubens – die EAD-Glaubensbasis lässt grüßen – dennoch gemeinsame Überzeugungen vertreten.Kontroverse Diskussionen – das gehört zur Kultur eines ehrlichen Miteinanders – bleiben nicht aus. Wer sich den Grundanliegen der Allianz verpflichtet weiß, dem wird in keinerlei pietistischem Windkanal solange der Wind um die Ohren und die Ecken und Kanten ge-blasen, dass er oder sie am Ende evangelikal uniform und passgenau wieder herauskommt. Zu unterschiedlich sind und bleiben unsere Frömmigkeitsprägungen, unsere denominationellen Hintergründe oder die „theologischen Kaderschmieden“ unserer Kirchen. Fokus: Jesus folgen. Was also tun, wenn es kontrovers wird? Beieinander bleiben, die Liebe und die Wahrheit auspacken und klar, offen und, wenn nötig, kontrovers diskutieren – mit der aufgeschlagenen Bibel in der Hand und der Bitte zum Herrn der Kirche, Einheit zu wirken, die in ihm längst da ist. Ich bin nicht blauäugig und weiß, dass es auch nach langen inhaltlichen Gesprächsprozessen nicht immer zur Übereinstimmung in Fragen in der Kirche Jesu Christi gekommen ist, damals wie heute. Darum brauchen wir als seine Leute Klarheit, Liebe, Wahrheit, Geduld, Verständnis, Einfühlungsvermögen, Wahrhaftigkeit, Demut, Gnade, Vertraulichkeit, die Fähigkeit zuzuhören und nachzufragen – die Liste der Attribute eines geistlichen Klärungsprozesses ist verlängerbar ...Es ist für die Zukunft von entscheidender Bedeutung, dass wir als Christen unterschiedlicher Herkünfte die Glaubensbasis der EAD als gemeinsame Grundlage ernst nehmen und unsere Überzeugungen und Auffassungen daran prüfen, dass wir zweitens zusammenbleiben und drittens dialogbereit und respektvoll mit unterschiedlichen Auffassungen unter uns umgehen. Wir fokussieren uns dabei auf das, was uns gemeinsam entscheidend wichtig ist: nämlich Jesus zu folgen, Sein Evangelium bezeugen und den Glauben an ihn leidenschaftlich leben.Fasziniert von unserem Gott und dem, was er in Jesus für uns getan hat, wollen wir ihn von ganzem Herzen lieben und ihm leidenschaftlich nachzufolgen. Seine radikale und voraussetzungslose Liebe zu Menschen soll uns Inspiration sein. Wir wollen Botschafter der Liebe Gottes sein – zu allen Menschen. Aus Liebe zu Gott wollen wir sein Wort achten und es als höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung anerkennen.
Ekkehart Vetter