Freiheit und Verantwortung

Ausgabe 1/2022

Wer bin ich?

Liebe EiNS-Leserinnen und Leser,

Liebe EiNS- Leserinnen und -Leser,

die bekannten Worte des Propheten Jesaja klingen in der wunderbaren Vertonung von Georg Friedrich Händel aus meinem Kopfhörer: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben“ (Jesaja 9,5). Es ist Samstagnachmittag und ich habe mich vor dem ganzen Einkaufstrubel in der Stadt in die hervorragend sortierte Klassik-Abteilung eines behaglich eingerichteten Musikhauses geflüchtet und höre mich durch unterschiedliche CD-Aufnahmen des „Messiah“. Immer wieder höre ich: „For unto us a child is born, unto us a son is given”. Immer gleich und doch so verschieden in der Interpretation der einzelnen Aufnahmen. „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“ Frauen und Männer singen es sich gegenseitig zu. Im Wechsel der Tonlagen und Stimmen wird es immer neu hervorgehoben „ein Kind geboren“ und „ein Sohn gegeben“. Jesaja scheint es wichtig zu sein, hier einen Unterschied zu machen. So oft hatte ich diese altbekannten Worte schon gehört, aber es war mir noch nie aufgefallen: Der Sohn ist nicht geboren, er is  gegeben. Denn der Sohn war schon vor der Schöpfung der Welt und Er ist der wiederkommende Herr. Er ist der Anfang und das Ende. Er ist derjenige, an dem sich Wahrheit und Lüge scheiden. Er ist der Löwe und das Lamm. Erstaunlich – beide Tiere sind so unterschiedlich und doch ist Jesus beides in Einem (siehe Offb 5,5+6). Ich staune über die Präzision der alttestamentlichen Prophetie: Das Kind ist geboren, aber der Sohn ist gegeben. Offensichtlich ist die Identität von Jesus viel umfassender und vielschichtiger als wir es auf den ersten Blick wahrnehmen. Und das Gleiche gilt für uns als seine Kinder. 

Hat unsere Identität Auswirkungen?
Für das EiNS-Magazin mit seinen wenigen Seiten ist das Thema „Identität“ eigentlich viel zu groß und zu vielschichtig. „Wer bin ich?“ als Mensch und als Kind Gottes? Klar, wir formulieren schnell, dass unsere Identität in Christus begründet ist. Aber was bedeutet dies für uns persönlich und für unser Leben in der Gemeinde und in der Gesellschaft? Als Kinder Gottes sind wir von Neuem geboren. Hat diese unglaubliche Zusage Gottes auch erkennbare Auswirkungen in unserem Leben und in der sichtbaren Welt? Aus dem Kopfhörer klingt noch immer die wunderschöne Melodie des Messias und ich blicke aus dem CD-Laden auf das geschäftige Treiben unten auf dem Marktplatz. Ich wünsche uns die erleuchteten Augen des Herzens (Eph 1,18), die durch die vordergründige Wirklichkeit hindurch Gottes Realität und die Hoffnung, zu der wir berufen sind, erkennen können. Für diese umfassende Perspektive brauchen wir einander. „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Mit diesem Jesaja-Zitat grüße ich Sie herzlich.

Dieses EiNS-Magazin lädt Sie auf eine Entdeckungsreise des Glaubens ein, auf der Sie nicht „nur“ sich selber tiefer entdecken, sondern auch über unseren Himmlischen Vater dankbar ins Staunen kommen können. Er spricht uns unsere Identität zu. Er gibt uns Teil an Seiner Berufung in einer Welt, die ohne einen Wunder-Rat und Friede- Fürst zugrunde geht. Deshalb: Leben Sie, was Sie bereits sind.

Entdeckungsreise des Glaubens
Leben braucht zugleich Schutz- und Freiräume. Verantwortung und Freiheit. Eine Ich-zentrierte Gesellschaft ist nicht frei, sondern versklavt sich an sich selbst. Gottes Ordnungen sind keine Spaßbremse oder drückende Last, sondern lebenserhaltend. Sie sind Schutz- und Freiraum. Oder eben Lebenselixier. Und so wie Schutz- und Freiräume begrenzt sind, gibt es keine grenzenlose Freiheit. Vielmehr dürfen wir den Freiraum im Schutzraum entdecken. Und gleichzeitig Schutz im Freiraum finden. Oder wie es Paul Imhof (Präsident Akademie St. Paul) formuliert hat: „Erst die Abhängigkeit vom Unabhängigen macht unabhängig vom Abhängigen.“Das ist die Entdeckungsreise des Glaubens. Wir beugen unsere Knie vor Gott, machen uns abhängig vom Unabhängigen, und erleben die Freiheit der Kinder Gottes. Wer kein Knecht der Sünde mehr ist, ist unabhängig vom Abhängigen – auch von aller Ich-Zentriertheit. Das Gebet ist der Schlüssel zu diesen Schutz- und Freiräumen. Es ist die Kraftquelle, um verantwortlich in Freiheit leben zu können. Es ist der Zugang zum Herzen unseres himmlischen Vaters. Und damit das Beste, was wir haben. Dies haben wir in der Allianzgebetswoche erlebt. Der Glaube, das Wort Gottes und das Gebet sind so viel umfassen-der als wir es aus unserer begrenzten Perspektive vermutet hätten. Der Unendliche offenbart sich im Endlichen und wir sind erstaunt. Die Begegnung mit dem Lebendigen macht lebendig und wir schöpfen neue Hoffnung. Das Licht strahlt auf in der Dunkelheit und wir gewinnen Orientierung. Die Wahrheit entlarvt alle Verführung und wir lassen uns von Jesus leiten, der Wahrheit in Person. Dies ist so notwendig in einer Zeit, in der Verwirrung um sich greift, Freiheit gegen Verantwortung ausgespielt wird und die Spaltungen in der Gesellschaft zu-nehmen.Er ist Schutz- und Freiraum. Er ist Wahrheit und Liebe. Bleiben Sie ihm anbefohlen und gesegnet.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr

Dr. Reinhardt Schink
Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz

Aktuellen Ausgabe zum Nachlesen:

2022/1 EiNS-Magazin

Wer bin ich?
Meine Identität in Christus – Was macht mich aus?

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