Die Neuentdeckung der 4 Soli
Der baptistische Generalsekretär Christoph Stiba über passgenaue Konzentration
Die evangelische Christenheit ist im Reformationsjahr. Die 95 Thesen, die Martin Luther vor 500 Jahren veröffentlicht hat, stehen für eine Erneuerungsbewegung, deren Auswirkungen bis heute enorm sind. Reformation bedeutet für mich, sich auf die Kernanliegen der Gemeinde Jesu neu zu besinnen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Ich halte eine Neuentdeckung der vier „Soli“ dabei für wesentlich.
Sola scriptura – allein durch die Schrift. Die Heilige Schrift stand im Zentrum der Reformation. Selber lesen, selber denken. Das ist Reformation. Wir sind eine Bibelbewegung, doch auch uns tut es gut, die Bibel immer wieder neu zu entdecken und bekannte Texte neu zu befragen: Was steht da eigentlich? Was hat mir das heute zu sagen? Es gibt eine Form von Langeweile im Umgang mit der Bibel, die wir selbst verschuldet haben, weil wir immer nur wiederholen, was wir zu wis-sen glauben, anstatt wieder zu entdecken, was da wirklich steht. Wir sollten in unseren Gottesdiensten nicht die Schriftlesung zugunsten des Lobpreises aufgeben, und in Predigten nicht nur alltagsrelevant sprechen, sondern auch die Bibel auslegen. Im besten Fall ergänzt sich das zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen.
Sola gratia – allein durch die Gnade. Ist uns noch bewusst, dass wir nichts dafür können, dass Gottes Liebe uns erreicht? Gott liebt uns nicht, weil wir so schöne Lieder singen, ihm so engagiert dienen, Geld spenden und alles lassen, was verboten ist. Gott liebt uns sola gratia – völlig unverdientermaßen! Bei uns ist nicht alles perfekt. Und wer ehrlich ist und um seine Schwächen weiß, der wird auch barmherzig mit anderen. Wer Zweifel und Fragen zulässt, wird nicht rechthaberisch Andersdenkende zurechtweisen. Wer selbst Gemeinde als Ort erlebt hat, an dem er aufatmen und neu anfangen konnte, der kann sie auch für andere so gestalten.
Sola fi de – allein durch den Glauben. Nach biblischem Verständnis bedeutet Glauben, sich liebend Gott anzuvertrauen, bei dem ich geborgen bin und der mich festhält – egal, was kommt. „Du bist Gottes geliebtes Kind!“ Das ist ein Schlüsselsatz, der eine neue Welt, ein neues Leben eröffnen kann. Die persönliche Entscheidung, dieser Zusage zu vertrauen, verändert Menschen. Glaube ist dann die Antwort des Menschen auf Gottes Beziehungsangebot und zugleich ist er von Gottes Geist geschenkt. Solcher Glaube befreit. Er prägt das alltägliche Handeln und meinen Umgang mit anderen Menschen.
Solus Christus – Christus allein. Der Glaube hat eine Mitte. So unterscheidet sich Wichtiges von Unwichtigem. Unsere Gemeinden beschäftigen sich mit zu vielen Nebensächlichkeiten. Es gibt Streit um die richtige Erkenntnis, aber auch über Musik, um Macht. Es wird gejammert über wenig Geld und Mitarbeiter. Das alles ist häufi g real. Wichtiger aber ist die Mitte, um die wir uns sammeln. Entscheidend für eine Gemeinde ist allein Christus. Der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Wie viel Trennendes nicht nur in unseren Gemeinden, sondern auch gegenüber anderen Christen, wäre überwunden, wenn wir begreifen, dass Christus allein die Ursache allen Heils ist!
Christus im Zentrum. Reformation dient dieser Konzentration.
Christoph Stiba
Zum Autor
Christoph Stiba ist Generalsekretär des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und Mitglied des Hauptvorstandes der Deutschen Evangelischen Allianz.