Vom Lehrbuch auf die Kanzeln in die Herzen
Manfred Vetter, Pastor im „Mülheimer Verband“
Im Mülheimer Verband war ich einer der ersten, der sich 1975 zur theologischen Ausbildung an einer deutschen Universität einschrieb. Von wissenschaftlicher Theologie hielt mein Gemeindeumfeld nicht viel, und schon gar nichts von der liberalen Variante. Auch ich hatte viele Vorurteile und wenig Ahnung, was auf mich zukommen würde. Wie würde mein persönlicher Glaube mit der theologischen Wissenschaft zusammengehen? Eine fremde Welt tat sich auf: Hier war nicht mehr von Bekehrung, Wiedergeburt und Jesusnachfolge die Rede, sondern von der Rechtfertigung des Sünders aus Glauben. Das sei der Hauptartikel christlicher Theologie. Von unseren Kanzeln hatte ich davon nichts gehört, entweder, weil ich als Teenager nicht zugehört habe, oder weil die großen Soli der Reformation – allein Christus, die Gnade, der Glaube, die Heilige Schrift – von Gesetzlichkeiten an den Rand gedrängt worden war.
Ende der Siebzigerjahre hielt Professor Walter Hollenweger Gastvorlesungen an der Hamburger Theologischen Fakultät, ein reformierter Theologe aus Birmingham, der als Prediger in einer deutschsprachigen Pfi ngstgemeinde seinen Dienst begonnen hatte. Er beschrieb in seiner 12-bändigen(!) Doktorarbeit über die weltweite Pfi ngstbewegung meine Kirche als den reformatorischen Teil der deutschen Pfi ngstbewegung.
Er bezog sich dabei auf die 1963 vom Mülheimer Verband herausgegebene Lehrschrift „Was wir glauben, lehren und bekennen“. Darin wird Artikel 4 der Confessio
Augustana („Von der Rechtfertigung“) zitiert: „Weiter wird gelehrt, dass wir Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen mögen durch unser Verdienst, … sondern vor Gott gerecht werden aus Gnaden um Christus will, durch den Glauben …“
Welche persönliche Befreiung von aller Heidenangst, beim Studium des Römerbriefes zu begreifen: Nicht meine Bekehrung, nicht mein Bemühen Jesus nachzufolgen wird mich in den Himmel bringen, sondern die Gnade und Liebe Gottes, von der mich nichts trennen kann.
Dieses befreiende Evangelium wollte ich gerne verkündigen und mit Leben füllen. Dafür wollte ich gerne Pastor im Mülheimer Verband werden. Damit immer wieder Reformation geschieht – auch im „reformatorischen Teil der Pfingstbewegung“.
Manfred Vetter
Zum Autor
Manfred Vetter, Pastor der „Arche Flensburg“ im Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden