„Schwarz/Weiß verstärkt die Spaltung“
Fragen an Kriminalhauptkommissar Holger Clas, Bundesvorsitzender der Christlichen Polizeivereinigung
Herr Clas, wie nehmen christliche Polizisten die aktuellen gesellschaftlichen Debatten wahr?
Wir leben in spannenden Zeiten: Nahezu alle Themen, die noch vor kurzem gesellschaftliches und politisches Leben dominierten, wurden durch die COVID-19- Pandemie verdrängt. Wir als Polizei sind besonders gefordert. Die Auflagen nach dem Infektionsschutzgesetz greifen tief in Grundrechte ein, stoßen oft auf Unverständnis und müssen mit Augenmaß, notfalls auch unter Einsatz von Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Außerdem musste auch bei uns der Dienstbetrieb so organisiert werden, dass Infektionen so weit wie möglich vermieden werden – auch unter den besonderen Anforderungen an die polizeiliche Eigensicherung.
Viele Menschen vereinsamen, verlieren an Lebensmut, werden depressiv. Wer in einer Pflegeeinrichtung oder im Krankenhaus stirbt, kann häufig keinen Abschied von Angehörigen nehmen. Auch im Kollegenkreis werden Themen wie Krankheit, Tod, Sinn des Lebens und die Beziehung zu Gott diskutiert. Da wollen wir unsere Hoffnung auf Christus vermitteln und diese besondere Zeit auskaufen.
Wie bewerten Sie als Christ und Polizist die Maßnahmen zum Infektionsschutz?
Ich begrüße alle Bemühungen, die dramatischen Auswirkungen der Pandemie zu begrenzen. Als Polizei wissen wir, was es bedeutet, auf der Basis ungesicherter Fakten, sich ständig verändernder Erkenntnisse und unter hohem Zeitdruck schwierige und weitreichende Entscheidungen treffen zu müssen. Als Christen haben wir den Auftrag, für Regierung und andere Verantwortungsträger zu beten. Genauso betroffen machen und ein ebenso großes gesellschaftliches Engagement sollte es auslösen, dass in Deutschland jährlich rund 100.000 Kinder im Körper ihrer Mutter legal getötet werden.
Wie erleben Sie, auch als Christ, Anti-Corona-Demos gegen staatliche Maßnahmen?
Ich beobachte eine zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft, die mir Sorgen bereitet. Einerseits nutzen Extremisten und Antisemiten die aktuelle Lage aus, um ihre gefährliche und hasserfüllte Propaganda – oft in verschleierter Form – unter das Volk zu bringen. Andererseits findet ein ausgewogener Diskurs über die Verhältnismäßigkeit der massiven Grundrechtseingriffe, die weitreichenden Folgen der Einschränkungen für die Wirtschaft und die nie dagewesenen Schuldenberge der öffentlichen Hand – die eines Tages zu tilgen sind – in öffentlich-rechtlichen Medien kaum Niederschlag. Manche machen sich ernsthaft Sorgen. Aber wer sich kritisch äußert, landet schnell in der Schublade „Coronaleugner“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Schwarz/weiß ist übersichtlich, aber die Abgrenzung verstärkt die Spaltung der Gesellschaft. Beruhigend ist das Wissen eines Christen, dass Gott die ganze Welt in seiner Hand hält. Bibelleser wissen mehr! Sein Wort ist die Kraft, die das Weltall zusammenhält. Vieles, was jetzt geschieht, trifft uns nicht überraschend. Gott hat uns keinen „Himmel auf Er-den“ vorhergesagt. Aber eines Tages wird er selbst alle Tränen abwischen. Dann wird es keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen; denn was einmal war, ist dann für immer vorbei.
Die Polizei ist öffentlich auch Thema wegen mehrerer Rechtsextremismus-Fälle und -Ermittlungen? Was sind die größten Herausforderungen?
Extremismus jeglicher Couleur lehne ich entschieden ab. Ich kann für rund 250.000 Polizisten natürlich nicht meine Hand ins Feuer legen. Zugleich stelle ich fest, dass ich in meinen vielen Dienstjahren nicht ansatzweise extremistische Strukturen bei der Polizei festgestellt habe, weder links noch rechts noch islamistisch. Offensichtlich läuft momentan eine Kampagne interessierter Kreise, die Polizei zu diffamieren und zu deligitimieren. Die Polizei hat, wie eine aktuelle FORSA-Umfrage zeigt, im Gegensatz zu den Medien das Vertrauen eines Großteils der Bevölkerung. Dafür bin ich dankbar. Ohne dieses Vertrauen kann die Polizei in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht erfolgreich sein. Wir freuen uns sehr, wenn gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen für die Polizei gebetet wird.