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„Hass, Unwahrheiten, persönliche Angriffe dürfen Christen nicht mitmachen“
Fragen an Uwe Heimowski, den Politikbeauftragten der Deutschen Evangelischen Allianz
Seit Ende 2016 bist du in Berlin als Politikbeauftragter aktiv. Was musstet ihr im Büro in der Zeit anpacken?
Büro ist ein gutes Stichwort. Die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) hat seit 2014 ein zentral gelegenes Büro in Berlin, zwischen US-Botschaft und Hotel Adlon, mit Blick auf das Holocaustdenkmal. Dort arbeiten meine Assistentin, Kersten Rieder, und ich. Mein Vorgänger Wolfgang Baake hat die Arbeit mit großer Leidenschaft aufgebaut. Mit dem Pinsel in der Hand, neuen E-Mail-Accounts und was sonst dazu gehört, haben wir uns in den ersten Wochen eingerichtet. Wer sich ein Bild machen möchte: Herzliche Einladung nach Berlin! Für zwanzig Personen haben wir Platz. Wir berichten gern über unsere Arbeit, übrigens auch in Gemeinden.
Das politische Berlin ist für mich ja nicht neu. Sieben Jahre war ich Referent bei dem Abgeordneten Frank Heinrich, der auch Mitglied des DEA-Hauptvorstands ist. Insofern kannte ich die Abläufe und viele Personen. Neu ist meine Rolle: Man wird als Vertreter einer großen kirchlichen Bewegung intensiver wahrgenommen.
Welche interessanten politischen Köpfe hast du in den vergangenen Monaten – neu – kennengelernt? Was waren inspirierende Begegnungen?
Viele ... Fraktionsvorsitzende wie Volker Kauder (CDU) oder Dietmar Bartsch (Die Linke), Minister wie Hermann Gröhe, Staatssekretäre wie Elke Ferner (SPD) oder Thomas Rachel, Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU. Religionspolitische Sprecher: Franz-Josef Jung (CDU), Kerstin Griese (SPD) und Volker Beck (Die Grünen). Kurz getroffen habe ich den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Zum Thema Lebensschutz habe ich mich mit Hubert Hüppe (CDU) ausgetauscht, dem ehemaligen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. Am „Stephanus-Kreis“ für verfolgte Christen der CDU/CSU-Fraktion, dem Prof. Heribert Hirte vorsitzt, nehme ich regelmäßig als Gast teil. Jede einzelne Begegnung ist spannend. Meistens muss ich erklären, was Evangelische Allianz ist und wofür wir stehen. Da erlebe ich bisher eine große Offenheit. Die Gespräche sind in der Regel vertraulich.
Von zwei Begegnungen, die mich besonders berührt haben, kann ich erzählen, weil die Abgeordneten auch öffentlich darüber sprechen: Josip Juratovic (SPD) ist gebürtiger Jugoslawe, der „erste Gastarbeiter im Bundestag“, wie er sagt. Er hat mit großer Sorge über die nationalistischen Entwicklungen in Europa gesprochen. „Genau so begann der Krieg in Jugoslawien.“ Er schloss einen flammenden Appell an: Politiker sollten die Bergpredigt in die Hand nehmen – nur so würden nationale Egoismen überwunden! Oder das Treffen mit Margaret Horb. Die Mutter von Zwillingen im Teenageralter musste den plötzlichen Tod ihres Mannes verkraften. Aber mit tiefer Dankbarkeit erzählte sie von dem Trost aus dem Glauben und die tragende Rolle ihrer Familie. Sehr berührend und ermutigend! Es ist gut, zu wissen, dass im Bundestag tiefgründige, aufrichtige Menschen sitzen.
Dazu kommen Gespräche mit Vertretern von Ministerien, den Parteien und politischen Stiftungen, den Repräsentanten anderer Kirchen, wie etwa Prälat Dutzmann (EKD) oder Peter Jörgensen (VEF) … Ein halbes Jahr lässt sich schwer in wenigen Sätzen zusammenfassen.
Wie sehr ist jetzt schon Wahlkampf-Zeit in Berlin? Spürt man das?
Der eigentliche Wahlkampf beginnt im Sommer. Viele Wähler entscheiden erst kurz vor der Wahl, wem sie ihre Stimme geben. In der praktischen politischen Arbeit wird aber schon sehr deutlich, dass die Legislaturperiode zu Ende geht. Da werden noch einige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, neue Themen werden aber für die Parteiprogramme und die Zeit nach der Wahl formuliert. Für meine Arbeit heißt das: Ich nutze die Zeit bis dahin, um viele Menschen im politischen Berlin kennenzulernen.
Welche wichtigen Initiativen möchtest du in den nächsten Monaten in Angriff nehmen, anstoßen? Was liegt dir besonders am Herzen?
Mir liegt die „Großwetterlage“ am Herzen. In Deutschland, in Europa und weit darüber hin-aus, hat sich ein Phänomen breitgemacht, das im Englischen „angry politics“ genannt wird. Eine aggressive Haltung gegenüber den Regierenden, kombiniert mit einer Anfälligkeit für allzu einfache Antworten. Dem möchte ich entgegnen: Lasst uns respektvoll mit Menschen umgehen, die Verantwortung tragen! Für sie beten und sie segnen. Man kann – und muss! – für seine Anliegen streiten, manchmal sehr deutlich. Aber auch dem politischen Gegner gebührt Respekt. Hass, Angst, Unwahrheiten, persönliche Angriffe oder Verleumdungen – da dürfen Christen nicht mitmachen! Gemeinsam mit der Europäischen Evangelischen Allianz werben wir für eine Kultur der Wertschätzung. Auch viele überkonfessionelle Gebetsinitiativen haben sich dieses Thema auf die Agenda gesetzt. Das ist großartig. Gebet ist ja ein Kernanliegen der Evangelischen Allianz.
Um noch ein konkretes, brandaktuelles Thema anzusprechen: Gemeinsam mit vielen Werken, Kirchengemeinden und einzelnen Christen kämpfen wir dafür, dass die Asylverfahren von Menschen, die zum christlichen Glauben gefunden haben, fair verlaufen. Es kann nicht sein, dass mit merkwürdigen Fragen „Glaubensprüfungen“ durchgeführt werden. Ein Skandal ist für mich die Abschiebung von Konvertiten nach Afghanistan, in den Iran und in einige andere islamische Länder. Unsere Brüder und Schwestern sind dort in Lebensgefahr. Zum Glück sind hier viele Christen sehr aktiv und melden sich deutlich zu Wort
Wie stark schätzt du nach deinen ersten Monaten das politische Bewusstsein von Christen und Gemeinden ein? Ist das noch ausbaufähig? Was kann – und sollte – sich noch ändern? Welche Anstöße kannst du dazu geben?
Neben den Sitzungswochen in Berlin habe ich die vergangenen Monate genutzt und Gemeinden und Ortsallianzen besucht, bei Konferenzen und Seminaren mitgewirkt. Mir ist überall ein großes Interesse begegnet; mehr als ich erwartet hätte. Viele Christen beten auch sehr gezielt für die Politik. Manchmal sind wir allerdings etwas verengt in unserem Themenspektrum. Lebensschutz, der Einsatz für Ehe und Familie, Christenverfolgung – um nur drei zu nennen – sind und bleiben Kernthemen der Allianz. Soziale Gerechtigkeit, globale Verantwortung, allgemeiner Schutz der Menschenrechte – auch hier beschränke ich mich auf drei – gehören aber ebenso dazu. Ein Bewusstsein dafür vermisse ich manchmal. Ich werbe dafür, dass wir biblische Werte in alle Politikfelder hineintragen. Das ist auf jeden Fall ausbaufähig.
Dann fällt auf, dass nur wenige Christen sich politisch engagieren. Das hat natürlich manchmal ganz praktische Gründe, weil neben Beruf, Familie und Gemeinde einfach keine Zeit bleibt. Aber bei vielen Christen sind es auch Berührungsängste. Hier möchte ich Mut machen: Engagiert euch, beginnt in der Kommunalpolitik! Die christliche Stimme ist nötig. Menschen, die ein tragfähiges Wertefundament haben, werden gebraucht. Man muss allerdings einen langen Atem und ein gewisses Maß an Kompromissfähigkeit mitbringen. Wer nicht bereit ist, kleine Schritte zu gehen, der wird nie hohe Berge überwinden. Gemeinden möchte ich ermutigen, geeignete Personen freizusetzen: Sie in die Politik zu senden, zu segnen, zu unterstützen, auch finanziell – bevor man in der Politik Geld verdient, muss man erstmal sehr viel investieren – und mit wohlwollendem Interesse zu begleiten.
Info und Kontakt: Uwe.Heimowski@ead.de
Die Fragen stelle Jörg Podworny