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WENN GOTT FÜR UNS IST …
Biblische Basis: Überlegungen zum 8. Kapitel
des Römerbriefs – das göttliche „Da.für“
Die Aussage kennen wir vermutlich alle: Der Halbsatz „wenn Gott für uns ist …“ stammt von Paulus und ist uns durch Römer 8,31 als Bibelzitat bekannt. Diese Aussage schließt als erstes einmal aus, dass Gott gegen uns ist. Dass er für uns ist, heißt jedoch nicht automatisch, dass wir nicht gegen ihn sind. Diese Spannung wollen wir uns im Folgenden näher ansehen. Dass Gott für uns ist, steht außer Frage. Gott hätte uns nicht erschaffen, wenn er nicht für uns wäre. Geschaffen geworden zu sein ist der Beleg „da.für“, dass er uns gewollt hat.
Über das blanke Wollen hinaus, finden wir die eindeutige Zuordnung Gottes zu uns schon auf der ersten Seite der Bibel. Dort ist die Bestimmung des Menschen als Gegenüber Gottes zu finden, außerdem die Zuordnung des Menschen zu Gott, die sich in Liebe bindend zeigt. Mit diesen Worten sind Fundament und Identität des Menschen gegeben. Die Frage ist: „Sind wir da.für“? Der Mensch hat seine Bestimmung darin, dass er „da.für“ geschaffen worden ist. „Wo.für“? Für Gott!
„Wo.hin“ wir gehören
Wenn Paulus sagt, dass Gott für uns ist, spricht er von zwei Gesetzmäßigkeiten: dem „Gesetz des Fleisches“ und dem „Gesetz des Geistes“. Das Gesetz des Geistes ist in Jesus Christus, das Gesetz des Fleisches ist im Tod und in der Sünde.
Zwischen diesen zwei Gesetzmäßigkeiten befindet sich der Mensch. Hier wird das Dilemma deutlich, in dem wir heute stehen. Der Mensch kennt seine Zuordnung nicht (mehr). Mehr noch: Die Zuordnung des Menschen ist verloren gegangen. Zuordnung heißt immer „bei Gott“ – und genau da befindet sich der Mensch seit dem Sündenfall nicht mehr. Der Mensch hat sich aus der Zuordnung zu Gott herausgenommen. Darum weiß der Mensch bis zum heutigen Tage nicht, wo er hingehört. Er weiß nicht, „wo.für“ er da ist. Er weiß nicht dass er „da.für“ geschaffen ist. Diese verlorene Zuordnung ist nicht nur bei Nichtchristen die Realität, sie ist auch bei Gläubigen zu entdecken. Die „Zuordnung“ vieler Christen ist oft auf ganz anderen Ebenen zuhause: Man schmückt sich mit Statistiken, mit Methoden, man identifiziert sich mit Trends oder Traditionen. Christen glauben, Gott nahe zu sein, wenn sie diese oder jene Dinge und Verhaltensweisen beachten. Das alles basiert auf einer Lüge: darauf, für Gott etwas tun zu wollen bzw. durch das
Gefühl Gott nahe sein zu wollen. Warum sind selbst Christen so Getriebene? Weil sie in ihrer Selbstbestimmung einer Lüge glauben und die Seele förmlich nach dieser Lüge sucht, um Identität zu finden, dann jedenfalls, wenn sie nicht in Christus verwurzelt ist. Paulus sagt: „Ich kann alles sein – in Christus!“ (Phil.4,13) Warum wir nicht?
„Wo.zu“ wir leben
Allerdings: Auch wenn die Zuordnung verloren gegangen ist und selbst Christen einer Lüge glauben, damit sie ihre Selbstbestimmung nicht aufzugeben brauchen, so gibt es in diesem Schlamassel doch eine gute Nachricht. Und diese gute Nachricht ist, dass die Bestimmung des Menschen nicht wirklich verloren gegangen ist, sie ist dieselbe wie zu allen Zeiten. Jeder Mensch der in die Welt kommt und sie verlässt, ist bestimmt und von Gott dafür geschaffen, dass Gott Gemeinschaft mit ihm hat. Gottesgemeinschaft beschreibt also die Bestimmung des Menschen.
„Wo.her“ Gott liebt
Gott kann es nicht lassen uns zu lieben und tut „da.für“ etwas völlig Irrationales. Er nimmt sich selber aus der Verborgenheit der ewigen Wahrheit heraus. Er verlässt die ewige Zuordnung in der himmlischen verborgenen Welt, um in der sichtbaren Welt diese Zuordnung wieder in Existenz zu bringen (Rm. 8,3). Gott selbst ist in die Gottesferne gegangen, um uns aus eben dieser Gottesferne herauszuholen, damit wir – mit uns selbst durch ihn selbst – wieder mit ihm versöhnt sind. Eine Dynamik, die kaum zu fassen, aber möglich ist, weil bei Gott immer – wirklich immer, immer! – Bestimmung und Zuordnung eins sind. Das bedeutet: Er verliert weder seine Liebe, noch seine Bestimmung in Bezug auf seine Person. Dies tat er, um dem Menschen klarzumachen: Ich habe dich immer geliebt, du gehörst zu mir und jetzt bin ich hier (Jh. 3,16). Das „Jetzt bin ich hier“ ist damit verbunden, dass der Mensch darauf reagieren darf. In Jesus wird die ganze Liebe Gottes sichtbar. In Jesus wird die Zuordnung zum himmlischen Vater / Gott wieder klar. In der Klarheit dieser Zuordnung liegt die Erfüllung unserer Bestimmung.
„Wo.für“ Gott leidet
So wie sich der Mensch aus der Gegenwart Gottes herausgerissen hat, auf Grund der Selbstbestimmung seines Willens, so reißt Gott sich seinen Sohn vom Herzen, um den Menschen durch seine ewige Liebe zu erreichen. Gott geht bewusst in den Zerbruch, dabei will er die Einheit. Doch dass er in den Zerbruch geht, heißt nicht automatisch, dass er die Einheit verliert. Jesus hat immer betont, dass er und der Vater eins sind. Er erinnert uns daran, dass wir nichts tun können außerhalb von ihm (Jh 15) Hier ist wieder die Zuordnung erkennbar. Hier wird in besonders feiner Weise klar, dass Zuordnung nicht die Selbstbestimmung wegnimmt; wir hätten uns sonst nicht herausnehmen können aus der Gottesnähe. Zuordnung führt in die Zweckbestimmung, nämlich hinein in die Gegenwart Gottes – und das ist nichts als reine heilige Liebe.
Als Jesus am Kreuz hängt und schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, hat der Schmerz seinen Höhepunkt erreicht. Dort ist die absolute grausame Gottesferne zu spüren. Und es ist zugleich der Punkt, der uns Gottes Liebe greifbar nah macht, weil wir erleben, wie Gott leidet. Er leidet nicht an sich – er leidet an uns. Das ist unsere Gottesferne, nicht seine. Jesus war immer beim Vater; er bezeugt das in seinem letzten Satz: „In deine Hände gebe ich meinen Geist“. An diesem Punkt, in dieser Situation, an diesem Ort bekommen wir symbolisch und plastisch dargestellt, wie sich Zugehörigkeit wieder herstellen lässt: aus der Gottesferne in die Gottesnähe. Wo gehören Christen also im Alltag hin? Sie sind dafür da, am Kreuz zu sein. Das Kreuz ist der Ort der Begegnung, wo wir von der Gottesferne in die Gottesnähe kommen. Sie sind dafür da, dass sie Gott lieben. Nicht aus eigener Kraft heraus – denn Gott hat uns zuerst geliebt –, wohl aber aus eigener Entscheidung heraus. Der Mensch in seiner Selbstbestimmung entscheidet über seine Zuordnung. Es ist richtig, wenn Paulus sagt: „Wenn Gott für uns ist wer kann für uns sein?!“ Rhetorisch geantwortet, mit Römer. 8,38, sind es nicht Mächte und Engel und Gewalten … Aber der Mensch selber kann sich herausnehmen. Unter dem Strich wird die Selbstbestimmung des Menschen allein von einer Frage definiert: Willst du annehmen was Jesus am Kreuz getan hat? Die Antwort auf das wo.für ist das da.für! Damit ändert sich alles.
Zur Autorin
Majorin Dr. Constanze Pfund ist Leiterin der Heilsarmee München