Fruchtbare Diskussionen – und schädliche Zank-Lust

Der BILD-Journalist Daniel Böcking über raue Facebook-Debatten und das eigene Verhalten

Gesellschaftspolitische Meinungsäußerungen und zum Teil heftige Debatten fi nden heute in starkem Maße in den Sozialen Medien wie Facebook und Twitter statt. Daniel Böcking, stellvertretender Chefredakteur von bild.de, nimmt diese Entwicklung, die vielfach die frühere Mediennutzung und politische Willensbildung aushebelt, aus christlicher Perspektive unter die Lupe: 

Ein BILD-Kollege hat neulich – während der Streitereien zwischen CDU (Merkel) und CSU (Seehofer) – einen Satz zu mir gesagt, der so einfach wie richtig ist: „Natürlich kann man sich als Fami- lie mal zanken. Aber am Ende muss das Haus noch stehen!“ Diesen Satz borge ich mir nun aus, wenn ich über das Miteinander – besonders von Christen – auf Facebook, Twitter und Co schreibe. Denn eigentlich ist damit das Meiste gesagt. Und als Geschwister im Glauben ist das Bild der Familie ja gar nicht so verkehrt. Dass es in den sozialen Netzwerken rau zugeht, weiß jeder. Falsch finde ich das im Grundsatz nicht. Denn ganz menschlich glaube ich, dass wir nur durch (auch leidenschaftlich geführte) Diskussionen Lösungen bei Konflikten finden kön- nen. Und ganz christlich freue ich mich über die Freiheit unseres Glaubens, hinterfragen, mahnen, kritisieren und – meinem Bibelverständnis nach – auch streiten zu dürfen. Die Apostel hatten Zoff. Selbst Jesus wich Konfl ikten nicht aus und warf auch mal Tische um (Matthäus 21,12). Hätte ich dies nun auf Facebook geschrieben und formuliert: „Christen dürfen sich auch mal in die Wolle kriegen“, würden sich ver-mutlich prompt Stimmen melden, die eine gegenteilige Meinung ver-treten. Vielleicht käme es sogar zu einem Streit. Und hoffentlich wäre der dann lehr- und hilfreich. Die Chancen sind vielleicht größer als die Risiken Meine Erfahrung ist die: Wann immer ich christliche Kommentare für BILD veröffentlicht habe, kassierte ich dafür im Internet auch Spott und teils harte Kritik. Doch stets sprangen mir Christen zur Seite. Sie haben – frei nach Hebräer 10,24 – auf mich achtgegeben und mich angespornt zur Liebe und zu guten Werken. Indem sie für mich stritten. Dafür bin ich enorm dankbar! 

Zwei Fragen stelle ich mir, wenn ich mich zu schärferen Worten in einer Online-Diskussion provoziert fühle:

1) Für wen oder was tue ich das? Für meinen Glauben? Für ein gutes Werk? Für Wahrheit und Gerechtigkeit? Oder: Für mein Ego? Für meinen Siegeswillen? Aus Rechthaberei?

2) Lasse ich mich – trotz Wut im Bauch – von der Liebe bestimmen (1. Korinther 16,14)? Oder will ich einfach nur verletzen? Entlang dieser Fragen verläuft für mich die Grenze zwischen einer guten, fruchtbaren Diskussion, die man auch mal Streit nennen kann – und sinnloser, schädlicher Zank-Lust. Leider überschreite ich selbst die Grenze manchmal.

Während ich diese Zeilen schreibe, ploppt eine Nachricht via Facebook auf meinem Bildschirm auf. Eine mir unbekannte Dame tippt: „Hatte einfach das Bedürfnis, dir zu schreiben. Christen sollten sich heutzutage immer mehr verbinden. Sei von unserem Vater gesegnet.“ Es gäbe noch einiges zu sagen über die Gefahren und unschönen Seiten der Social Networks. Über Filterblasen, die wie Scheuklappen die Sicht auf verschiedene Meinungen nehmen. Über anonyme Trolle, die ohne Rücksicht auf Verluste pöbeln.
Doch die Nachricht der Christin erinnert mich auch wieder dar-an, dass die Chancen vielleicht größer sind als die Risiken: Wir Christen können uns hier ohne Hindernisse die Hände reichen, uns austauschen, neue Glaubensgeschwister kennenlernen. Wir können öffentlich von Jesus erzählen und uns gegenseitig ermutigen. Wir können für unseren Glauben leuchten (Matthäus 5,16). Das geht auch digital!
„Natürlich kann man sich als Familie mal zanken. Aber am Ende muss das Haus noch stehen“, hat der Kollege gesagt. Unser Haus ist – Gott sei Dank - auf Fels gebaut. 

Zur Autorin

Daniel Böcking ist BILD-Journalist